TK will Bestandsmarktprüfung zurück APOTHEKE ADHOC/dpa, 20.08.2014 12:24 Uhr
Eigentlich hatten die Kassen der Abschaffung der Bestandsmarktprüfung zugestimmt. Ihnen waren Ende vergangenen Jahres die Einsparungen aus Zwangsrabatt und Preismoratorium wichtiger. Doch nach der Barmer und dem Ersatzkassenverband vdek macht sich – im Vorfeld der Verhandlungen zum Versorgungsgesetz – auch die Techniker Krankenkasse (TK) für ein Comeback stark. Aus Sicht der Kasse könnten zwei Milliarden Euro eingespart werden.
Patentgeschützte Medikamente hätten oft keinen Zusatznutzen für die Patienten, so ein Team um Professor Dr. Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Uni Bremen. In einem Gutachten für die TK hatten die Wissenschaftler 17 Wirkstoffe aus drei Wirkstoffgruppen auf Basis von TK-Verordnungsdaten auf ihren Zusatznutzen im Vergleich zu vorhandenen Therapieoptionen untersucht.
Es handele sich um Präparate, die in der Vergangenheit umstritten gewesen seien, darunter neuere Antidiabetika und Rheuma-Medikamente. „Keiner der untersuchten Wirkstoffe hat es in der Ampel-Bewertung auf 'grün' geschafft“, so Glaeske. „Die Präparate sind sehr teuer, haben häufig aber gegenüber bisher verfügbaren Mitteln keinen wesentlichen Zusatznutzen für den Patienten. Damit sind auch höhere Preise nicht gerechtfertigt“, sagte Glaeske.
Nur für Präparate mit einem Zusatznutzen sollten die Hersteller einen höheren Preis verlangen dürfen, so die TK. Das sei die zentrale Aufgabe der frühen Nutzenbewertung. Ursprünglich sollten nicht nur neu auf den Markt kommende Medikamente bewertet werden, sondern auch Mittel des Bestandsmarkts. Davon sei der Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit wieder abgerückt.
TK-Chef Dr. Jens Baas findet die Abschaffung der Bestandsmarktprüfung zwar politisch nachvollziehbar. „Der vorliegende Bestandsmarktreport zeigt jedoch, dass es aus fachlicher Sicht keineswegs entbehrlich ist, auch bereits auf dem Markt befindliche Arzneimittel auf ihren Zusatznutzen hin zu untersuchen“, so Baas. Dabei gehe es nicht allein um Geld, das unnötig ausgegeben werde, sondern auch um die Versorgungsqualität der Patienten.
Durch die politische Entscheidung, den Bestandsmarkt nicht mehr zu überprüfen, würden Krankenkassen und letztlich auch Versicherte weiterhin mit Ausgaben für Arzneimittel belastet, deren Zusatznutzen nicht nachgewiesen sei. Damit werde das Ziel einer qualitativen und wirtschaftlichen Arzneimittelversorgung verfehlt, heißt es in dem Bericht weiter.
Zu den bewerteten Präparaten gehörten neuere orale Antikoagulantien, Antidiabetika (GLP-1-Analoga und DPP-4-Inhibitoren) sowie biotechnologisch hergestellte Antirheumatika.
Der Bericht bescheinigt den Biologika Vorteile in Bezug auf die therapeutische Wirksamkeit, Verträglichkeit oder Therapiesicherheit. Jedoch sei die Evidenz nicht eindeutig oder die beobachteten Verbesserungen gering. Die Gesamtbewertung der Biologika zeige eine „gelbe Ampel“. Wegen fehlender Direktvergleiche zwischen den Wirkstoffen sei nicht klar geworden, welcher der Wirkstoffe besser geeignet sei. „Das zeigt, dass dringend direkte Vergleichsstudien zwischen den Wirkstoffen erforderlich sind“, so Glaeske.
Die Antidiabetika hätten gegenüber den bisher verfügbaren Arzneimitteln keine patientenrelevanten Vorteile. Zwei von ihnen seien von den Herstellern bereits wieder vom Markt genommen worden. Entgegen der Zulassung und den Leitlinien würden die Gliptine in der Diabetes-Behandlung oft sogar ohne Vortherapie eingesetzt.
In einem Sonderkapitel befasst sich der Bestandsmarktreport mit dem Marktzugang von Präparaten. Demnach ist es vom jeweiligen Wirkstoff abhängig, ob Krankenhäuser „Einfallstore“ für teure Arzneimittel seien. Auf dieser Basis ließen sich Gespräche mit Kliniken und niedergelassenen Ärzten führen, um die Qualität der Arzneimittelversorgung zu verbessern. Die TK verspricht sich von dem Report eine größere Transparenz und einen Beitrag zur Verbesserung der Arzneimitteltherapie.