Kassen feiern Lauterbach-Pläne

„Nurses“ sollen Arzneimittel verschreiben

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Berlin -

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Versorgung weg von den Ärztinnen und Ärzten führen. Die Kassen feiern seine Pläne für ein Pflegekompetenzstärkungsgesetz.

Nach Lauterbachs Worten sollen Pflegekräfte etwa Ernährungsberatungen durchführen, die Wundversorgung eigenständig planen und über den Einsatz bestimmter Salben und Katheter entscheiden dürfen. Fachkräfte mit akademischem Abschluss sollen sogar kleine Praxen leiten und bestimmte Medikamente selbst verschreiben können. Dazu soll als neue Qualifikation die sogenannte „Advanced Practice Nurse“ (APN) eingeführt werden.

Geschenk unterm Tannenbaum

Die Kassen feiern den Vorschlag, der BKK Dachverband spricht gar von einem „Weihnachtsgeschenk für die Pflege unterm Tannenbaum“. Endlich werde der „längst überfällige Anschluss der Pflegequalifikationen an internationales Niveau“ angepackt, so Vorständin Anne-Kathrin Klemm. Insbesondere mit der Etablierung von APN würden viele neue Perspektiven für die Pflegefachkräfte geschaffen. „Eine langjährige Kernforderung des BKK Dachverbandes wird damit eingelöst“ so Klemm. „Wir erwarten damit eine deutliche Entlastung der Versorgung – insbesondere in Regionen, in denen die ärztliche Grundversorgung zusehends ausdünnt.“

Nachbesserungsbedarf sehe man noch bezüglich der begrenzten Kapazitäten bei der Pflegebegutachtung und den häufigen Widerspruchsbegutachtungen. „Statt diese Aufgabe auf Pflegefachkräfte zu übertragen, die dann in der Versorgung in den Pflegeeinrichtungen fehlen, sollte die Nutzung von KI bei der Pflegebegutachtung ermöglicht werden. Das kann wertvolle Pflegepersonalressourcen sparen, ist zielgenauer und auch frei von Interessenskonflikten.“

Aufgaben umverteilen

Auch beim AOK Bundesverband ist man voll des Lobes: „Nach wie vor gibt es viele Vorbehalte von unterschiedlichen Seiten, der Pflege mehr Verantwortung zu übertragen. Doch gerade angesichts des großen Fachkräftemangels in der Pflege ist es ein richtiger und wichtiger Schritt, dass die Bundesregierung die Pflegeberufe durch zusätzliche Kompetenzen stärken will“, so Vize Jens Martin Hoyer. „Die verschiedenen Gesundheitsberufe müssen bereit sein, stärker als bisher interprofessionell im Team zusammenzuarbeiten und im Sinne der Optimierung der Versorgung Aufgaben entsprechend umzuverteilen.“

Mit der Intention, den Pflegeberufen eine eigenständigere Rolle in der Versorgung einzuräumen, sei die Politik auf dem richtigen Weg. „Es macht absolut Sinn, dass entsprechend qualifizierte Pflegepersonen zum Beispiel Ernährungsberatungen durchführen oder bestimmte Medikamente eigenständig verordnen können. Hier weist insbesondere das geplante neue Berufsbild der Advanced Practice Nurse, das sich an internationalen Vorbildern orientiert, in die Zukunft. Ziel muss es sein, die individuellen Kompetenzen der Pflegekräfte zielgerichteter einzusetzen. Dazu braucht es neue gesetzliche Rahmenbedingungen und eine Klärung aller ordnungs- und haftungsrechtlichen Fragen, damit die neuen Gesundheitsprofessionen in der Versorgung rechtssicher agieren können.“

Hausärzte bleiben skeptisch

Professor Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, findet es grundsätzlich richtig, die Pflege zu stärken und die Kompetenzen der Fachkräfte noch breiter einzusetzen. „Entscheidend wird am Ende die konkrete Umsetzung sein.“ Nach der ersten Runde im Bundesgesundheitsministerium blieben viele zentrale Fragen unbeantwortet. „Das betrifft Themen wie Budgetverantwortung, Haftung oder die Grenzen, innerhalb derer eine Übertragung von Versorgungsaufgaben stattfinden kann.“

Von einer grundlegenden Abwehrhaltung, wie sie den Ärztinnen und Ärzten immer wieder vorgeworfen werde, könne keine Rede sein: „Als Verband setzen wir uns schon seit langem für eine umfassendere Delegation unter dem Dach der Hausarztpraxis ein und schulen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, damit sie noch mehr Aufgaben in der Versorgung selbstständig übernehmen können. Erst vor kurzem haben wir mit dem Konzept ‚Hausärztliches Primärversorgungszentrum – Patientenversorgung Interprofessionell‘, kurz HÄPPI, hierzu einen umfassenden Vorschlag vorgelegt, wie Versorgung im Team funktionieren kann.“

Große Sorge bleibe jedoch, dass durch das geplante Reformvorhaben die Versorgung der einzelnen Patientin oder des Patienten noch unübersichtlicher werde. Denn neben Hausärzten, Fachärzten und Krankenhäusern würden dann auch Pflegekräfte mit erweiterten Kompetenzen die Patientinnen und Patienten eigenständig versorgen. „Wenn die eine Hand nicht weiß, was die andere macht, dann ist das eine echte Gefahr für die Patientinnen und Patienten. Daher plädieren wir dafür, den Pflegekräften und anderen Gesundheitsfachkräften mehr Kompetenzen zu übertragen, die Verantwortung aber unter dem Dach der Hausarztpraxis zu bündeln. So wäre sichergestellt, dass die Versorgung nicht noch weiter zersplittert wird. Anderenfalls leistet man der Qualität der Versorgung einen Bärendienst.“

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