Das Bundesverfassungsgericht hat 2020 entschieden: Jeder Mensch hat ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben. Aber wie sollen die Betroffenen den Wunsch umsetzen? Die obersten NRW-Verwaltungsrichter in Münster beschäftigen sich am Mittwoch mit dieser Frage.
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen verhandelt am Mittwoch (13.00 Uhr) den Streit um den Zugang zu einem tödlichen Medikament. Die Kläger aus Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Baden-Württemberg klagen gegen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn, das ihren Wunsch abgelehnt hat. Wegen des Sitzes in NRW ist das OVG in Münster zuständig. Die Betroffenen wollen sich mit dem Medikament selbst töten.
Der älteste Kläger ist 77 Jahre alt, stammt aus dem Landkreis Lüneburg und leidet neben Krebs auch an einer Herzerkrankung. Ein Kläger aus der Pfalz ist 51 Jahre alt und leidet seit über 20 Jahren an Multipler Sklerose. Der Mann ist ab unterhalb der Schulter gelähmt und muss rund um die Uhr betreut werden. Eine Klägerin kommt aus dem Landkreis Schwäbisch Hall. Die 68-Jährige hat Krebs und weitere multiple Erkrankungen.
2020 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass jeder Mensch ein Grundrecht auf den selbstbestimmten Tod hat. Die Kläger fordern, sich mit dem Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital selbst töten zu dürfen. Sie verlangen von der Behörde, ihnen den Kauf des Mittels zu erlauben. Nach ihrer Aussage finden sie keinen Arzt, der ihnen ein Medikament ausstellt für den Gang in die Apotheke.
Das Mittel wird in den Niederlanden, Belgien und der Schweiz im Rahmen der dort erlaubten Sterbehilfe eingesetzt. In der ersten Instanz hatte das Verwaltungsgericht Köln die Klagen nach einem Zwischenschritt zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe abgewiesen. Das OVG muss jetzt entscheiden, ob die Ablehnung dieses Wunsches durch das Bundesinstitut mit Bezug auf das Betäubungsmittelgesetz rechtens ist. Ein Urteil will das OVG nach der mündlichen Verhandlung an diesem Mittwoch verkünden.
Nach Angaben der Bundesregierung von September 2021 sind seit 2017 insgesamt 223 Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis beim Bundesinstitut in Bonn eingegangen. Kein Fall wurde demnach bewilligt. 144 Anträge wurden abgelehnt. In 54 Fällen gab es Widersprüche durch die Antragsteller, die wiederum zurückgewiesen wurden. Einige Anträge wurden ausgesetzt, andere sind noch anhängig. Der Ablehnungen durch das Bundesinstitut ging ein Nichtanwendungserlass für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) voraus.
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