In der politischen Apothekerszene ist der Kölner Apotheker Günter „Gunnar“ Witzmann kein Unbekannter: Gemeinsam mit anderen Pharmazeuten hatte er 2012 die Protestgruppe „Aufbruch!Apotheke“ gegründet. Nach einer politischen Irrfahrt von links nach rechts ist Witzmann jetzt bei der AfD gelandet und kandidiert für den NRW-Landtag. Beim Kleben von Wahlplakaten in Köln wurde Witzmann jetzt in einen Autounfall verwickelt: Er blieb unverletzt, sieht sich aber als Opfer eines politischen Anschlags. Die Kölner Polizei dementiert hartnäckig.
Mit politischen Anschlägen lassen sich in Wahlkampfzeiten gut Schlagzeilen produzieren – vor allem wenn Politiker von Parteien an den Rändern des politischen Spektrums beteiligt sind. Rasch entwickelte sich daher im Internet die Mär von einem „Anschlag“ auf Witzmann. „Aber das geht zu entschieden zu weit: Würde mich sehr interessieren, was die Polizei tut, um den oder die Täter zu ermitteln“, heißt es bei Facebook. Und weiter: „Das ist schon harter Tobak – man kann unterschiedliche Auffassungen haben, aber so ein Anschlag ist keine Lösung eines Problems, sondern nur ein neues.“
An der Legendenbildung mitgewirkt hat Witzmann kräftig selbst: „Ich bin überzeugt, dass es sich um einen politisch-motivierten Angriff gehandelt hat“, lässt sich der Direktkandidat in Wahlkreis Köln VI und Landeslistenplatz 35 zitieren. „Ich bin gespannt auf die Ergebnisse der Spurensicherung. Trotz dieses schockierenden Erlebnisses werde ich die nächsten Tagen noch einmal Vollgas im Wahlkampf-Endspurt geben, damit die AfD mit einer großen Fraktion in den Düsseldorfer Landtag einziehen wird!“
Aufmerksam gemacht auf den Vorgang hat Apotheker Georg Dribusch: Auf Witzmann sei „mutmaßlich ein lebensgefährlicher Anschlag verübt worden“, heißt es auf seiner Facebook-Seite. Zusammen mit einem weiteren Wahlkampfhelfer habe sich Witzmann am Dienstagmorgen gegen 5 Uhr auf dem Vingster Ring in Höhe des Freibades befunden, um Wahlplakate anzubringen, „als ein Auto ohne Kennzeichen auf gerader und voll ausgeleuchteter Strecke mit hoher Geschwindigkeit (ca. 80 bis 90 km/h) auf ihn zusteuerte“.
Witzmann, der am Kofferraum stehend Wahlplakate präpariert habe, habe sich durch einen Sprung zur Seite retten können, während sein Auto, das mit eingeschaltetem Warnblinklicht auf dem Grünstreifen neben der Straße gestanden habe, hinten links getroffen und gegen einen Baum geschleudert worden sei. Beide Autos, ein Suzuki Swift und ein Opel-Kombi, hätten Totalschaden erlitten.
„Das Auto des mutmaßlichen Täters strandete etwa 80 Meter weiter. Der Fahrer, ca. 1,70 Meter groß und südländischen Aussehens, flüchtete leicht verletzt“, heißt es bei Dribusch weiter. Wenig später seien Polizei und Spurensicherung angerückt, die Strecke sei während des Berufsverkehrs etwa eine Stunde gesperrt worden. Witzmann habe Anzeige gegen Unbekannt erstattet. „Großes Kino, zwei Stunden Vollsperrung einer großen Straße, Staatsschutz , Hubschrauber in der Luft.“
Die Kölner Polizei bestätigt den Unfall. „Es gibt aber überhaupt keinerlei Hinweise auf einen politischen Hintergrund“, dementiert ein Polizeisprecher die Anschlagsversion. Es handele sich um einen „normalen Unfall“. Es gebe Hinweise auf eine Alkoholfahrt. Fahrer und Wagen seien der Kölner Polizei schon in einem früheren Zusammenhang aufgefallen. Der Fahrer sei der Polizei bekannt. Man habe ihn aber noch nicht dingfest machen können. „Entsprechend wird ermittelt“, so ein Polizeisprecher.
Nach der Gründung der Protestgruppe „Aufbruch!Apotheke“ hatten Witzmann und seine Kollegen zunächst versucht, bei der Partei Die Linke anzuheuern und dort einen Arbeitskreis Apotheken zu etablieren: „Wir bieten Ihnen die Zuarbeit aus den praktischen Erfahrungen in einem zu gründenden Arbeitskreis an“, so Witzmann, Inhaber der Personalagentur Sisteron Apothekenservices, im November 2012. Die damalige gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Dr. Martina Bunge, lehnte das Angebot dankend ab.
Daraufhin wandte sich die Gruppe an die AfD und stieß dort auf offenere Ohren. Als Experten ließ die AfD die Protestapotheker-Gruppe in ihrem Arbeitskreis Gesundheit in NRW mitwirken. Im Gegensatz zu den etablierten Parteien, die oft kein Gehör für die Pharmazeuten hätten, treffe man bei der Anti-Euro-Partei auf ein „unbeackertes Feld“, hieß es 2013 aus der Protestapotheker-Gruppe. Aus der Mitarbeit wurde für Witzmann eine AfD-Mitgliedschaft. Jetzt kandidiert er für die Partei in NRW.
In NRW kann die AfD auf den Einzug in den Landtag hoffen. In der jüngsten Umfrage liegen die Rechtspopulisten bei 7 Prozent. Auch unter den Apothekern hat die AfD zugelegt: Nach einer APOTHEKE ADHOC-Umfrage von März konnte AfD die Zahl ihrer Anhänger unter den Apothekern seit der letzten Bundestagswahl auf 6 Prozent verdoppeln.
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