Während die Apothekenreform nicht ins Kabinett kommt, treibt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Notfallreform voran. Am kommenden Mittwoch ist die 1. Lesung im Bundestag. Die Länder hatten am Freitag massive Kritik zu Protokoll gebracht – insbesondere zu den geplanten Notfallapotheken und zum Dispensierrecht in den Integrierten Notfallzentren (IGZ).
Die geplante Notfallreform sieht die Schaffung von Integrierten Notfallzentren (INZ) vor. Diese sollen flächendeckend an ausgewählten Krankenhäusern aufgebaut werden und aus einer Notaufnahme und einer Notdienstpraxis bestehen. Zudem sollen Patient:innen die benötigten Arzneimittel direkt vor Ort erhalten und weite Wege zu Notdienstapotheken künftig entfallen. Dazu wird die Möglichkeit der zweiten Offizin eingeräumt. Dafür muss ein entsprechender Vertrag geschlossen werden. Kommt dieser nicht zustande, sollen Ärzt:innen in Notfallpraxen die Möglichkeiten erhalten, selbst Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte abgeben dürfen.
Dieser Passus soll laut Forderung des Bundesrats gestrichen werden. Der Grund: „In Deutschland ist ein funktionsfähiges und leistungsfähiges Apothekennotdienstsystem etabliert, das die Versorgung in dem Fall sicherstellt, dass es der Kassenärztlichen Vereinigung gemeinsam mit dem Träger des Krankenhauses nicht gelingen sollte, einen Versorgungsvertrag mit einer Apotheke abzuschließen“, so der Bundesrat. Durch das etablierte Notdienstsystem der Apotheken sind die Arzneimittelversorgung und Beratung gewährleistet, auch wenn zuvor eine Behandlung in einer Notdienstpraxis erfolgte.
Werden Arzneimittel in der Notdienstpraxis abgegeben, wird eine möglicherweise erforderliche Arzneimittelberatung durch fachkompetentes pharmazeutisches Personal nicht ausreichend sichergestellt. Die Arzneimittelabgabe durch fachkompetentes pharmazeutisches Personal werde mit den Regelungen im Notfallgesetz nicht sichergestellt.
Bemängelt wird zudem, dass die Schaffung von entsprechenden Lagervorräten und -räumlichkeiten – inklusive Kühlmöglichkeit für kühlpflichtige Arzneimittel – in der Notdienstpraxis für einen nicht näher definierten Übergangszeitraum nicht wirtschaftlich betrieben werden kann.
Da in einer Notdienstpraxis alle Erkrankungen behandelt werden, ergebe sich die Notwendigkeit, dass praktisch das gesamte Sortiment einer Apotheke mit mehreren tausend Arzneimitteln und unterschiedlichen Darreichungsformen in der Notdienstpraxis vorrätig zu halten ist. Somit würde eine Apotheke ohne pharmazeutisches Personal betrieben werden.
Außerdem ist eine Abgabe von Betäubungsmitteln unter den bestehenden betäubungsmittelrechtlichen Regelungen nach § 3 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) nur für entsprechende Erlaubnisinhaber möglich. Durch Antragstellung und Genehmigung entstehe ein erheblicher zusätzlicher bürokratischer Aufwand, der in der Begründung zum Gesetz nicht berücksichtigt wurde.
Der Bundesrat fordert eine Anpassung in Artikel 5. Konkret geht es um § 12b Absatz 1. Satz 1 Apothekengesetz (ApoG), dieser soll wir folgt angepasst werden. „Der Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke hat zur Versorgung von Patienten einer Notdienstpraxis mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten einen Vertrag mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung und dem Träger des Krankenhauses, mit dessen Notaufnahme die Notdienstpraxis ein Integriertes Notfallzentrum bildet, zu schließen.“ Bislang heißt es, dass ein entsprechender Vertrag geschlossen werden kann.
Außerdem soll folgender Satz hinzugefügt werden: „Die Erlaubnis zum Betrieb bis zu einer zweiten Offizin ist auf Antrag zu erteilen, wenn die vom Antragsteller betriebene Apotheke und die zweite Offizin innerhalb desselben Kreises oder derselben kreisfreien Stadt oder in einander benachbarten Kreisen oder kreisfreien Städten liegen.“ Der Zusatz ist aus Sicht des Bundesrates wichtig, da so sichergestellt wird, dass jede Apotheke nur bis zu einer zweiten Offizin betrieben werden kann. „Die Begrenzung ist zur Sicherstellung der Übereinstimmung der Regelung mit dem Fremdbesitzverbot erforderlich.“
Eine Klarstellung soll es auch in Bezug auf die Räumlichkeiten geben. „In den Räumlichkeiten der zweiten Offizin mit Lagerräumen dürfen keine Herstellungstätigkeiten durchgeführt werden.“ Damit soll sichergestellt werden, dass keine Herstellung von Arzneimitteln ohne Herstellungserlaubnis erfolgt.
Zweitoffizinen sollen nur bei Anwesenheit von Approbierten geöffnet sein. Die bestehende Regelung, nach der eine Apotheke nur geöffnet sein und betrieben werden darf, wenn ein/e Approbierte:r oder eine vertretungsberechtigte Person anwesend ist, stellt nicht sicher, dass eine derart qualifizierte Person in den Räumlichkeiten der zweiten Offizin anwesend ist. Formell gesehen ist die zweite Offizin Teil einer Apotheke, deren Betriebsräume sich an unterschiedlichen Standorten befinden. Somit wäre es bei den aktuellen Regelungen denkbar, dass sich Approbierte in den sonstigen Betriebsräumen der Apotheke befinden, ohne auf die Geschehnisse in der zweiten Offizin Einfluss nehmen zu können. „Da sich also die zweite Offizin getrennt von den weiteren Apothekenbetriebsräumen befindet, ist die Anwesenheit von qualifiziertem Personal in den Räumlichkeiten der zweiten Offizin gesondert zu regeln.“
Die Vergütung der Notdienste ist in § 20 ApoG geregelt. Der Bundesrat fordert eine Anpassung. Künftig soll es heißen: „Apotheken, die von der zuständigen Behörde zur Dienstbereitschaft im Notdienst durchgehend oder zeitweilig in der Zeit von spätestens 20 Uhr bis mindestens 6 Uhr des Folgetages bestimmt wurden und den Notdienst vollständig erbracht haben, erhalten hierfür einen pauschalen Zuschuss entsprechend des geleisteten Notdienstumfanges.“
In der Begründung heißt es: „Zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung ist eine Vergütung für Teil-Notdienste einzuführen.“ Derzeit werden nur Vollnotdienste im Zeitraum von spätestens 20 Uhr bis mindestens 6 Uhr des Folgetages vergütet. Die Nichtberücksichtigung von Teildiensten in der Regel bis 22 Uhr führt dazu, dass die für die Regelung des Notdienstes zuständigen Behörden zum Teil ausschließlich Volldienste planen, um die Apotheken – vor dem Hintergrund der sehr angespannten wirtschaftlichen Lage der Apotheken – nicht mit unentgeltlich zu leistenden Teildiensten zu belasten, obwohl dies zumindest teilweise für die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung ausreichend wäre. Apotheker:innen würden dadurch in unnötiger Art und Weise trotz der flächendeckend prekären Personalsituation mit Diensten belastet.