Die Politik ist bezüglich der Freigabe von EllaOne (Ulipristal) durch die EU-Kommission gespalten. Kordula Schulz-Asche, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, begrüßt die Entscheidung und sieht Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (BGH) unter Zugzwang. Bayern Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) kritisiert die Entscheidung aus Brüssel und will zumindest für Minderjährige die Rezeptpflicht erhalten.
Seit Amtsantritt verweigere Gröhe Frauen gegen den Rat der Experten den rezeptfreien Zugang zur bewährten Pille danach, so Schulz-Asche. Um die absurde Situation zu verhindern, dass EllaOne als das teurere und neuere Präparat in der Apotheke freiverkäuflich sei, das preiswerte und etablierte Präparat PiDaNa aber nicht, müsse Gröhe unverzüglich handeln.
Gröhe müsse dem Bundesrat umgehend eine entsprechende Änderung der Arzneimittelverschreibungverordnung (AMVV) vorlegen. „Frauen brauchen einen direkten schnellen Zugang zur Notfallverhütung, gute Informationen über die Vor- und Nachteile beider Medikamente, um dann selbstbestimmt zu entscheiden, welches Präparat sie einnehmen“, so die Grünen-Sprecherin.
Auch Elke Ferner (SPD), Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), sieht die Entscheidung positiv. „Nach jahrelangen Diskussionen gibt es endlich eine pragmatische und vernünftige Regelung. Ich appelliere an Gesundheitsminister Gröhe, bei seiner jüngsten Linie zu bleiben und auf nationale Alleingänge zu verzichten.“ Die SPD-Frauen seien froh, dass durch die Entscheidung das Selbstbestimmungsrecht von Frauen gestärkt werde.
Kritik kommt dagegen von Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). Sie verwies auf den Hinweis Brüssels, dass einzelne EU-Länder eine Verschreibungspflicht beibehalten könnten. Für Minderjährige sollte diese weiter gelten. Die Entscheidung der Kommission sei ein falsches Signal: Es handle sich bei der „Pille danach“ nicht um „eine harmlose Halsschmerztablette, sondern um ein starkes Medikament, das in den Hormonhaushalt der Frauen eingreift.“ Deshalb sei eine ärztliche Untersuchung und Beratung der Frauen zu ihrem eigenen Schutz sehr sinnvoll.
Gröhe, der sich lange gegen die Freigabe sperrte, will nun zusammen mit Frauenärzten, Apotheken und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Kriterien für eine qualitativ hochwertige Beratung in den Apotheken entwickeln. Er kündigte an, sowohl für EllaOne als auch für die PiDaNa (Levonorgestrel) eine rasche nationale Regelung zu schaffen. Sein Ministerium prüft derzeit noch, ab wann EllaOne ohne Rezept abgegeben werden darf.
Die Bundesapothekerkammer (BAK) begrüßt den OTC-Switch. Kammerpräsident Andreas Kiefer sicherte zu, die Apotheker wollten bei der Beratung größtmögliche Arzneimittelsicherheit gewährleisten und Missbrauch verhindern. Die Wirkung der „Pille danach“ sei umso sicherer, je früher sie eingenommen werde. Notfallverhütungsmittel mit Ulipristal könnten bis zu 120 Stunden nach ungeschütztem Sex oder bei Versagen anderer Verhütungsmittel eingenommen werden. Sie sei allerdings für den Notfall gedacht und könne andere Verhütungsmethoden nicht ersetzen.
Auch Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) warnt, dass die „Pille danach“ nur im Notfall abgegeben werden solle: „Wir sehen in einigen anderen Ländern durchaus Fehlentwicklungen, weil dort Arzneimittel als Handelsware verramscht werden. Wir müssen weiterhin dafür Sorge tragen, dass junge Menschen sehr verantwortlich mit der 'Pille danach' umgehen und sie wirklich nur im begründeten Einzelfall abgegeben wird.“
Grundsätzlich begrüßt die AKWL die Entscheidung der EU-Kommission: „Wir Apothekerinnen und Apotheker sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und können mit unserer Beratung eine sichere Anwendung der 'Pille danach' gewährleisten“, sagte Overwiening. „Die bisherige Verschreibungspflicht führt dazu, dass zu viel Zeit vergeht, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern“, so Overwiening.
Besonders am Wochenende würden Frauen beim ärztlichen Bereitschaftsdienst häufig keinen Gynäkologen, sondern Vertreter anderer ärztlicher Fachrichtungen antreffen. Der Arztbesuch bringe dann nicht die gewünschte Aufklärung, verzögere aber die Einnahme unnötig. „Bei einer bekannten höchsten Wirksamkeit des Präparats in den ersten zwölf bis 24 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr ist das nicht zielführend“, so Overwiening.
Sie erwartet, dass die Bundesregierung in absehbarer Zeit auch die Rezeptpflicht für Levonorgestrel kippen wird – wie zuvor schon 79 Länder weltweit. Schon 2013 setzte sich die AKWL für einen OTC-Switch der PiDaNa ein: Ein Antrag, den Wirkstoff als Notfallkontrazeptivum aus der Verschreibungspflicht zu entlassen, wurde auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) in Düsseldorf mehrheitlich angenommen.
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