Kassen sparen mit „Pille danach“ Alexander Müller, 26.05.2015 11:17 Uhr
Mit dem OTC-Switch der „Pille danach“ wollte die Politik Frauen den Zugang zu Notfallkontrazeptiva erleichtern. Schöner Nebeneffekt für die Krankenkassen: Sie sparen mit dem OTC-Switch: 150.000 Euro allein im April, dem ersten vollen Monat ohne Rezeptpflicht. Und das betrifft nur die Erstattung der „Pille danach“. Bei der Beratung sparen die Kassen zusätzlich, weil die Apotheker – anders als zuvor die Ärzte – dafür nicht vergütet werden.
Die Ärzte können für eine Beratung 7,29 Euro abrechnen, erfolgt zusätzlich eine Untersuchung sind es 11,61 Euro. Gemessen an den OTC-Verkäufen in den ersten vier Wochen nach der Freigabe haben die Kassen damit zusätzlich zwischen 270.000 und 430.000 Euro gespart.
Im vergangenen Jahr haben die Kassen insgesamt 2,7 Millionen Euro für die „Pille danach“ ausgegeben. Hochgerechnet aus den Aprilausgaben wären es in diesem Jahr 1,8 Millionen Euro, also 900.000 Euro weniger wiederum nur für die Pille. Es ist zudem davon auszugehen, dass der Rezeptanteil weiter sinkt – und damit die Kosten der Kassen.
Hinzu kommt, dass der Anteil der erstatteten Notfallkontrazeptiva gesunken ist: Wurden im April 2014 noch rund 20 Prozent der Packungen zu Lasten der Kassen abgegeben, waren es zuletzt nur noch 5 Prozent. Das ist insofern auffällig, als der Gesetzgeber die Erstattungsfähigkeit für Frauen unter 20 Jahren übernommen hat. Die OTC-Packung kann also für junge Frauen weiterhin auf Kassenkosten verordnet werden kann.
Zusammen mit den Privatrezepten lag der Anteil der Abgabe mit Verschreibung im April dennoch über 20 Prozent. Das könnte mehrere Ursachen haben: Trotz der großen Aufmerksamkeit für das Thema wird nicht jede Frau den OTC-Switch mitbekommen und entsprechend dennoch einen Arzt aufgesucht haben. Eine gewünschte Beratung oder Untersuchung beim Arzt vor der Einnahme könnte eine weitere Ursache sein.
Auf der anderen Seite haben möglicherweise junge Frauen auf eine Erstattung verzichtet und eine schnelle Verfügbarkeit des Medikaments vorgezogen. Das würde den relativ geringen Anteil an erstatteten Notfallkontrazeptiva erklären.
Der Gesamtmarkt für die „Pille danach“ ist im Vergleich zum Vorjahresmonat deutlich gestiegen. Der Absatz kletterte um 37 Prozent auf mehr als 50.000 Packungen, der Umsatz sogar um 41 Prozent auf etwa 1,6 Millionen Euro. Zwar sind die Preise nach dem OTC-Switch bei allen Präparaten leicht gefallen, der vergleichsweise höhere Anstieg beim Umsatz begründet sich aber in dem früheren OTC-Start von EllaOne: Das höherpreisige Ulipristal-Präparat war zuerst als apothekenpflichtiges Arzneimittel verfügbar und hatte so in der Offizin einen Vorsprung gegenüber den Präparaten mit Levonorgestrel (LNG).
Das schlägt sich auch in den Umsatzanteilen der beiden Notfallkontrazeptiva nieder. Der Marktanteil von EllaOne lag im April bei 88 Prozent im OTC-Segment. Die ersten LNG-Notfallkontrazeptiva waren in der OTC-Variante erst Mitte April verfügbar.
Nach dem OTC-Switch hatte EllaOne-Hersteller HRA Pharma den OTC-Markt für Notfallkontrazeptiva vorübergehend für sich allein. Bei LNG mussten die Hersteller dagegen die Anpassung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) abwarten, bis sie einen Änderungsantrag ans BfArM stellen konnten.
Seit dem 1. April waren Postinor (Gedeon Richter) und Unofem (Hexal) als OTC-Präparate gemeldet. Beide Präparate waren aber zunächst nicht beim Großhandel verfügbar. Erst Ende gab es das Altoriginal PiDaNa als apothekenpflichtiges Arzneimittel. Und zwar ausschließlich: HRA Pharma hatte alle Rx-Packungen zurückgerufen und vernichtet.
Im Rx-Segment war das Verhältnis 60:40 zugunsten von Ulipristal. Der Vorteil dieses Wirkstoffs liegt in dem größeren Zeitkorridor der Einnahme nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr. LNG-haltige Notfallkontrazeptiva können vor allem für stillende Frauen eine Alternative sein, da die empfohlene Stillpause nur acht Stunden beträgt, bei Ulipristal dagegen eine Woche.
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