Notfallreform

Notfallapotheken: 500.000 Euro aus dem NNF Nadine Tröbitscher, 24.07.2024 10:25 Uhr

Dem DAV entstehen durch die Erweiterung der Meldewege der Notdienstapotheken Kosten von rund 500.000 Euro. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Das Kabinett hat die Notfallreform beschlossen. Mit Folgen für die Apotheken: Die sind nicht nur Teil der Notfallversorgung in den Integrierten Notfallzentren, sondern werden auch zur Kasse gebeten. Rund 500.000 Euro sollen anfallen, denn der Deutsche Apothekerverband (DAV) muss Meldewege etablieren, damit die Apotheken vergütet werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) setzt dabei auf Geld aus dem Nacht- und Notdienstfonds (NNF).

Geplant ist die Schaffung von Integrierten Notfallzentren (INZ). Diese sollen flächendeckend an ausgewählten Krankenhäusern aufgebaut werden und bestehen aus einer Notaufnahme und einer Notdienstpraxis. Beide haben einen gemeinsamen Tresen, an dem entschieden wird, ob Patient:innen in der Notaufnahme oder der Notdienstpraxis behandelt werden müssen. In den INZ können sowohl eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als auch ein Rezept ausgestellt werden. Hier kommen die Apotheken ins Spiel. Denn Patient:innen sollen die benötigten Arzneimittel direkt vor Ort erhalten und weite Wege zu Notdienstapotheken künftig entfallen.

Dazu müssen jedoch neue Strukturen geschaffen werden. Zwar soll die Notfallreform Anfang 2025 in Kraft treten, aber die meisten Dienste werden laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) erst 2026 etabliert sein. Dazu gehört mitunter auch die Anbindung von Notfallapotheken.

Notfallapotheke nur mit Vertrag

Dazu heißt es im Kabinettsentwurf: „Zur Sicherstellung der Versorgung von Patientinnen und Patienten einer Notdienstpraxis mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten hat die zuständige Kassenärztliche Vereinigung gemeinsam mit dem Träger des Krankenhauses, mit dessen Notaufnahme die Notdienstpraxis ein Integriertes Notfallzentrum bildet, einen in § 12b Absatz 1 Satz 1 des Apothekengesetzes genannten Vertrag mit dem Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke zu schließen.“ Gibt es keinen Vertrag, dürfen Ärzt:innen der Notdienstpraxis Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte selbst abgeben.

Um entsprechende Verträge mit den Apotheken zu schließen, rechnet das BMG mit Kosten für die Krankenhausträger durch die erstmalige Ausschreibung von Verträgen in Höhe von circa 500.000 Euro. Den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) entstehen durch die Ausschreibung schätzungsweise Kosten in Höhe von 577.000 Euro.

Um Apotheken integrieren zu können, wird es eine Anpassung des Apothekengesetzes (ApoG) geben. Eingeführt wird § 12b. Dieser ermöglicht es Apothekeninhaber:innen, einen entsprechenden Vertrag zu schließen. Die Arzneimittelversorgung kann dann durch die öffentliche Apotheke erfolgen, wenn diese in unmittelbarer Nähe zur Notdienstpraxis liegt oder durch eine Zweitoffizin, wenn die unmittelbare Nähe nicht gegeben ist. Die Zweitoffizin muss Lagerräume an dem Standort, an dem die Notdienstpraxis betrieben wird haben, vorausgesetzt die Zweitoffizin liegt in angemessener Nähe zur Apotheke.

Durch den Vertrag muss sichergestellt sein, dass

  • eine ordnungsgemäße Versorgung der Patient:innen der Notdienstpraxis mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten sichergestellt wird,
  • die Patient:innen und Angestellten der Notdienstpraxis zu Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten informiert und beraten werden,
  • die Apotheke oder die zweite Offizin der Apotheke während der Öffnungszeiten der Notdienstpraxis geöffnet ist (die Notdienstpraxis muss mindestens an Wochenenden und Feiertagen von 9 bis 21 Uhr, Mittwoch und Freitag von 14 bis 21 Uhr und Montag, Dienstag und Donnerstag von 18 bis 21 Uhr geöffnet sein; Notfallapotheken sind während der Öffnungszeiten der Notdienstpraxis zur Dienstbereitschaft verpflichtet – das gilt sowohl für Zweitoffizinen als auch für notdienstpraxisversorgende Apotheken),
  • eine ordnungsgemäße Lagerung von Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten auch gewährleistet ist, soweit diese in Räumen an dem Standort, an dem die Notdienstpraxis betrieben wird, erfolgt, und der Zugang zu diesen Räumen dem Personal der Apotheke vorbehalten bleibt und
  • die freie Apothekenwahl nicht eingeschränkt wird.

Der Vertrag muss der zuständigen Behörde vorgelegt werden. Dazu wurde im Kabinettsentwurf eine Frist von mindestens drei Wochen vor Aufnahme der Versorgung verankert.

500.000 Euro aus dem NNF

Notfallapotheken sollen entsprechend vergütet werden. Grundlage ist eine Anpassung in § 20 Absatz 4 ApoG. Apothekeninhaber:innen erhalten einen pauschalen Zuschuss für jede Kalenderwoche, in der sie während der Öffnungszeiten der Notdienstpraxis geöffnet waren. Dazu müssen die Apotheken dem DAV im Wege einer Selbsterklärung für jedes Kalenderquartal mitteilen, dass ein entsprechender Vertrag besteht, und in wie vielen Kalenderwochen des jeweiligen Kalenderquartals sie während der Öffnungszeiten der Notdienstpraxis geöffnet waren.

So sollen dem DAV die Daten übermittelt werden, die zur Berechnung der Notdienstpauschalen benötigt werden. Form und Einzelheiten zum Inhalt der Selbsterklärung legt der DAV fest und veröffentlicht die Vorgaben auf seiner Webseite. Die Selbsterklärung hat jeweils innerhalb von vier Wochen nach dem Ende des jeweiligen Kalenderquartals zu erfolgen.

Das verursacht Kosten. Dem DAV entsteht laut Kabinettsentwurf ein einmaliger Erfüllungsaufwand durch die Erweiterung der Meldewege durch die Änderung in § 20 Absatz 4 ApoG, der auf rund 500.000 Euro geschätzt wird. „Dieser wird aus den Einnahmen des Fonds beglichen (§ 18 Absatz 2 des Apothekengesetzes).“ Gemeint ist der NNF.

Die zweite Offizin

Die notdienstpraxisversorgende Apotheke soll in unmittelbarer Nähe zur Notdienstpraxis liegen. Ist dies nicht der Fall, kann diese Apotheke eine zweite Offizin mit Lagerräumen am Standort der Notdienstpraxis betreiben. Allerdings muss die zweite Offizin in angemessener Entfernung zur Betriebsstätte der Apotheke liegen, damit die Apothekenleitung ihren Verantwortlichkeiten nachkommen kann. So soll eine notdienstpraxisnahe Versorgung von Patient:innen der Notdienstpraxis ermöglicht werden.

Dennoch haben Patient:innen die freie Entscheidung, ob sie die notdienstpraxisversorgende Apotheke oder eine an ihrem Wohnort gelegene Apotheke zur Einlösung von Verschreibungen aufsuchen.

Die Versorgung in der Notfallapotheke erfolgt allerdings nur zu den vorgegebenen Öffnungszeiten der Notdienstpraxis und insbesondere nicht über Nacht durch vollständig erbrachte Notdienste, stellt der Kabinettsentwurf klar.

Abgabe von Arzneimitteln durch Ärzt:innen

Wurde kein Vertrag mit einer Apotheke geschlossen, können Ärzt:innen der Notfallpraxis selbst Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte abgeben. Möglich ist dies für den akuten Bedarf, beispielsweise wenn eine Antibiose oder Schmerztherapie sofort begonnen werden muss. Allerdings ist die Abgabe beschränkt „auf eine zur Überbrückung benötigten Menge für längstens drei Tage, soweit im unmittelbaren Anschluss an die Behandlung ein Wochenende oder ein Feiertag folgt“.

So soll eine Versorgung entsprechend eines Entlassmanagements sichergestellt werden, heißt es im Kabinettsentwurf. Die Notdienstpraxen beziehen die Arzneimittel über den regulären Apothekenvertriebsweg – in der Regel als Sprechstundenbedarf.