Nachdem Apothekerin Doris Maria Krünägel-Schropp gegenüber ihrer Kammer keine Beiträge mehr bezahlen zu wollen, gibt es nun immerhin einen Austausch über eine mögliche Neuregelung bei den Notdiensten im Freistaat. Die Inhaberin der Marien-Apotheke in Markt-Rettenbach hat nun auch das bayerische Gesundheitsministerium eingeschaltet.
In ihrem Brief an Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) schreibt Schropp, dass die Kammer mit der dringend notwendigen Reform des Notdienstes überfordert scheine. Ob im Ministerium das Programm der Firma Cyrano bekannt sei, das eine gerechtere, geodatenbasierte Notdienstverteilung ermögliche und schon seit 10 Jahren in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein erfolgreich angewandt werde, fragt die Apothekerin Ein wichtiger Parameter sei dabei, mit welcher „zumutbaren Entfernung“ für die Patient:innen gerechnet werden müsse.
Hierzu habe ihr die Kammer mitgeteilt, es sei Aufgabe der Politik, diese Grenze zu definieren, und das sei bislang noch nicht geschehen. Deshalb wendet sich Schropp damit direkt ans Ministerium. Die Apothekerin lässt in ihrer Anfrage die anhaltenden Lieferengpässe nicht aus: „Was auch immer Sie daher als ‚zumutbare Entfernung‘ definieren, Herr Gesundheitsminister Holetschek: Als allererstes müssen wieder Arzneimittel da sein, die wir überhaupt verkaufen können. Dann wäre der erste Schritt der Zumutbarkeit geschafft.“
Im nächsten Schritt wäre aus ihrer Sicht eine schnelle Entscheidung zum Thema geodatenbasierte Notdienstregelung und Druck auf die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) durch die Politik von Nöten, so die Apothekerin, damit es „wenigstens bis 2024 zu einer erträglichen, fairen, computergestützten Regelung für die bayerischen Apotheken kommt“.
Mit ihren eigenen Vorstößen ist sie bei der Kammer bislang nicht erfolgreich gewesen. Bereits im Dezember hatte sich Schropp an die BLAK – und in CC an ihren Pharmazierat – gewandt, um auf die aus ihrer Sicht kritische Notdienstsituation im Unterallgäu aufmerksam zu machen: „Ich denke, Sie können mir zustimmen, dass die Kammer in der Pflicht steht, sich in Anbetracht von Apotheken-Schließungen, Personalmangel und häufig absurder Inanspruchnahme unserer Notdienstleistung nun endlich Gedanken über eine zeitgemäße Notdienstordnung zu machen.“
In anderen Kammerbezirken gebe es bereits computerassistierte Modelle zur Verteilung, in Bayern seien ihr derartige Anstrengungen leider nicht bekannt. Schropp schickte daher ihrerseits einen konkreten, händisch ausgearbeiteter Vorschlag zur Neuordnung.
Da eine Antwort seitens der Kammer ausblieb, schrieb Schropp im Februar erneut. Diesmal machte sie auf den Rückgang der Apothekenzahl aufmerksam. Auch der BLAK sollte klar sein, „dass diese höchst bedauerlichen Schließungen nicht einfach aufhören werden, sondern dass das auf nicht absehbare Zeit Ihr tägliches Problem sein wird“.
Umso drängender sei eine umfassende Lösung für eine gerechte und zumutbare Notdienstbelastung. Schropp verwies auf Spanien, wo im Notdienst nach 22 Uhr nur noch tagesgleiche Rezepte beliefert würden. „Das ist nach meiner Meinung ein Modell, das auch für Deutschland höchst relevant wäre.“ Wie viele Kolleg:innen wünscht sie sich zudem eine zentrale Telefonnummer „für die Erteilung banaler Auskünfte und zur Abwehr von Sex-Tätern“.
Schropp ist die einzige Approbierte in ihrer Apotheke, muss die Dienste alle zehn Tage also zwangsläufig selbst übernehmen. Bei der Erstellung ihrer betrieblichen Gefährdungsbeurteilung habe sie nun festgestellt, dass die Gefährdung für Physis und Psyche durch den Notdienst mittlerweile als „hoch“ anzusehen sei. Jemanden für die Dienste einzustellen, sei weder finanziell noch aus bekannten Personalmangelgründen darstellbar.
Weil sie auch auf dieses Schreiben keine Antwort erhielt, entzog sie der Kammer jetzt kurzerhand das Recht, ihre Beiträge einzuziehen. Das ist zwar aus rechtlicher Sicht ein aussichtsloses Unterfangen, doch die Maßnahme zeigte Wirkung. Offenbar durch die Anfrage von APOTHEKE ADHOC wurde die Kammer aufmerksam, die Rechtsabteilung entschuldigte sich bei Schropp für die ausgebliebene Rückmeldung.
Inhaltlich ging es indes nicht voran. Es gebe wohl eine Überlegung mehrerer Kammern, sich an einem Programm zu beteiligen, das die Notdienste nach Entfernungen und Bevölkerungsdichte berechnet. Aber abgeschlossen sei die Debatte nicht, berichtet Schropp aus dem Gespräch. Und dann liege es auch an der Politik, zu entscheiden, ob die Definition der „zumutbaren Entfernung“ für Patient:innen vergrößert wird. Das „spanische Modell“ jedenfalls habe keine Chance.
Mit diesen Informationen wandte sich Schropp nun direkt an die Abda: Ob die Agentur Cyrano oder eine andere Agentur daran arbeite, das Programm zur Berechnung der Apothekennotdienste bundesweit auszurollen und welche Kammerbezirke im Begriff seien, dieses System zu implementieren? Schropp schickte weitere Fragen zur Definition der „zumutbaren Entfernung“, zu Zuständigkeiten und konkreten Aktivitäten der Abda.
Antwort der Abda: „Die Einteilung des Apothekennotdiensts ist Aufgabe der Apothekerkammern.“ Soweit bekannt, arbeitet allerdings keine Agentur an einer bundesweit einheitlichen Notdiensteinteilung. Die BLAK wurde bei dieser Antwort in Kopie gesetzt.
In München war man nach Schropps Aussage wenig begeistert, dass sie sich mit ihrer Frage an die Abda gewandt hatte und ein Beitrag über ihren Fall bei APOTHEKE ADHOC erschienen „dass wir weder in Nordkorea leben noch in Putins Land“ leben und es jedem erlaubt sein sollte, Fragen zu stellen. Auch deshalb hat sich an Gesundheitsminister Holetschek gewandt. Eine Antwort steht noch aus.
APOTHEKE ADHOC Debatte