FDP: Wahlkampf vor der Apotheke Lothar Klein, 26.04.2017 09:43 Uhr
Auf die FDP sind Apotheker derzeit nicht gut zu sprechen. Weil sich die FDP-Führung gegen ein Rx-Versandverbot stark macht, wenden sich viele Apotheker von den Freien Demokraten ab. Trotzdem traute sich Kandidatin Wiebke Reerink im NRW-Wahlkampf mit einem Werbestand direkt vor die Globus-Apotheke. Und wurde noch nicht einmal verscheucht. Das hatte aber keinen politischen Grund.
Warum sie ausgerechnet als FDP-Mitglied vor einer Apotheke einen Wahlkampfstand für die Freien Demokraten aufgebaut hat, erklärt Reerink ganz pragmatisch: „Die Apotheke gehört meinem Mann, der zum einen Ortsvorsitzender der FDP ist und zum anderen bekommen wir so problemlos Strom und Wasser.“ Auch wenn die beiden vom aktuellen Kurs der FDP bezüglich der Apotheken nicht überzeugt sind, so gelte es doch, für die Landtagswahl Wahlkampf zu machen. „Denn nur weil man in einem Punkt eine andere Sichtweise hat, verliert man nicht seine politische Heimat“, sagt Reerink, die für die Freien Demokraten im Wahlkreis 83 Steinfurt III als Direktkandidatin antritt.
Verwundert war die Apothekergattin selbstverständlich über die Aussagen von FDP-Chef Christian Lindner nach dem EuGH-Rx-Boni-Urteil. „Es wäre falsch, die Apotheken unter Naturschutz zu stellen und den Versandhandel zu verbieten“, hatte er mehr Wettbewerb für Apotheken gefordert. Die für Gesundheitsfragen zuständige stellvertretende FDP-Vorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte sogar noch nachgelegt: Das Ende der Preisbindung als Folge des EuGH-Urteils sei „keine Katastrophe“. Stattdessen sollte die Begrenzung des zulässigen Waren- und Dienstleistungssortiments fallen. Und ein Rx-Versandverbot sei „unsinnig“.
Darüber hinaus werde es endlich Zeit, „dass die bislang geltende Produktbegrenzung für Apotheken konsequent entfällt“, so Strack-Zimmermann. Das Konsumverhalten der Menschen verändere sich. Auf Dauer werde es, wie in allen anderen Branchen auch, die Möglichkeit geben, sowohl online als auch im Geschäft vor Ort einzukaufen. Hierbei werde keine Berufsgruppe ausgenommen werden. „Insofern ist es wichtig, dass der Gesetzgeber den inhabergeführten Apotheken in Zukunft endlich auch die kaufmännische Luft zum atmen lässt, die sie benötigen, um auf einen sich veränderten Markt erfolgreich reagieren zu können“, so die FDP-Vize.
„Das finden wir nicht so lustig“, stimmt Reerink mit der offiziellen Apothekenpolitik der FDP nicht überein. Trotz des Haderns wollen sich die Reerinks aber nicht von der FDP abwenden. Im Gegenteil: Apotheker Andreas Reerink gibt ehrlich zu: „In dem Moment, wo ich die Posts der Parteiführung gelesen habe, da habe ich schon kurz überlegt, ob die FDP noch meine politische Heimat sein kann. Aber wie so oft im Leben gibt es immer zwei Möglichkeiten: Hinschmeißen und wegrennen oder eben jetzt erst recht!“ Und so engagiert sich Reerink noch mehr in der FDP, um unter anderem durch seine Mitarbeit im Landesfachausschuss für Gesundheit und Pflege aber auch auf Kreisebene die Partei für die Sorgen und Probleme der Apotheker zu sensibilisieren.
In Reerinks Wahlkampf für den NRW-Landtag spielt das Rx-Versandverbot sonst keine große Rolle: „Als gelernte Verkehrsingenieurin kümmere ich mich insbesondere um die Verkehrsinfrastruktur. Und als Mutter einer dreijährigen Tochter um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das sind meine beiden Hauptthemen.“
Mit Spannung schauen beide jetzt auf den Bundesparteitag der FDP. Dort steht das Thema Rx-Versandhandel ebenfalls auf der Tagesordnung und im Wahlprogramm. Reerink erwartet eine lebhafte Diskussion: „So wie mich, gibt es etliche andere Mitglieder der FDP, die im Bereich der Apothekenausrichtung der FDP Optimierungsbedarf sehen. Und gerade bei kontroversen Themen sind Parteitage immer für eine Überraschung gut.“