Lutz Engelen, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR), hat vor „übertriebener Freizügigkeit und ungezügeltem Wettbewerb“ in der Europäischen Union gewarnt. Beim Neujahrsempfang der AKNR erinnerte er an das Subsidiaritätsprinzip: „Die EU darf nur dann ins gesundheitspolitische Geschehen eingreifen, wenn die betreffenden Angelegenheiten nicht auf einzelstaatlicher Ebene gelöst werden können.“
Engelen forderte, die Einflüsse der EU-Politik auf das deutsche Gesundheitswesen kritisch im Blick zu behalten. „Die Gesundheitspolitik in der Europäischen Union ist nach wie vor eine Angelegenheit der Nationalstaaten“, betonte er. Dieser wichtige Punkt müsse bewahrt werden. Dies stelle sicher, dass die wohnortnahe und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung – auch mit Einbezug der Apothekerschaft – zukunftssicher gestaltet werde.
Die EU könne durch Zusammenarbeit das Gesundheitswesen fördern, dürfe aber nicht die Gesetzgebung der einzelnen Mitgliedsstaaten außer Kraft setzen. „Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass sie ihre Medikamente zu einem einheitlichen Preis bekommen“, so Engelen. „Es darf nicht sein, dass der gesundheitlich geschwächte Patient erst eine Marktanalyse durchführen muss, um die für ihn günstigste Apotheke zu finden.“
In Deutschland garantiere das unter anderem die Arzneimittelpreisverordung (AMPreisV). Als wichtiges Regulativ für Sicherstellung einer flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung für die Patienten müsse diese weiterhin grenzüberschreitend gelten, so Engelen mit Blick auf Online-Versandapotheken aus dem Ausland. „Europa darf nicht bedeuten, dass Unternehmen aus anderen Mitgliedsstaaten sich um bundesdeutsche Gesetze offenbar nicht scheren und damit den Wettbewerb behindern“, betonte Engelen.
Schließlich stelle sich für die gesetzestreuen Mitbewerber die Frage, wie lange ein Unternehmen ungestraft permanente Rechtsverstöße begehen könne, so der Kammerpräsident. „Zumal, wenn selbige im Inland längst und zu Recht zu einem Entzug der Geschäftstätigkeit geführt hätten.“ Die anstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Frage der grenzüberschreitenden Gültigkeit der AMPreisV sei daher von besonderer Bedeutung. In dem Verfahren geht es um eine Kooperation zwischen DocMorris und der Deutschen Parkinson Vereinigung (DPV). Die Wettbewerbszentrale hatte gegen das Bonusmodel geklagt. Eine Entscheidung wird im Frühjahr 2016 erwartet.
Herbert Reul, Vorsitzender der CDU/CSU im Europäischen Parlament, betonte in seinem Grußwort, dass eine Einheit Europas nicht Einheitlichkeit auf jeder Ebene bedeute: „Auf europäischer Ebene muss es künftig mehr um Austausch und Transparenz gehen, nicht immer um Regulation aus Brüssel – auch im gesundheitswirtschaftlichen Bereich.“
Den Austausch und die Transparenz zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten stufte Reul als „ausbaufähig“ ein. Er betonte, dass die Souveränität der Einzelstaaten nicht an Bedeutung verlieren dürfe. Die EU-Kommission müsse sich mehr darauf konzentrieren, Europa gemeinsam mit allen Beteiligten weiterzuentwickeln – das gelte auch für den Austausch mit den Berufsgruppen.
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