Die Zahl der Apotheken ist weiterhin im Sinkflug – ein Trend, der sich seit mittlerweile 24 Jahren fortsetzt. Allein im Kammerbezirk Nordrhein haben im vergangenen Jahr 48 Apotheken ihre Türen geschlossen. Demgegenüber stehen immerhin 14 Neueröffnungen – ein wohl eher zufälliges Phänomen, das sich schon im ersten Halbjahr abgezeichnet hat. Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann findet trotzdem deutliche Worte.
2023 haben 48 Apotheken im Kammerbezirk geschlossen – die meisten in Köln. Hier stehen neun Schließungen zwei Neueröffnungen gegenüber. Mettmann verzeichnet vier Schließungen und nur eine Neueröffnung. In Neuss, Düren und Mönchengladbach haben je drei Apotheken geschlossen und keine neu eröffnet.
Jeweils drei Neueröffnungen gab es in Wesel und der Städteregion Aachen – in beiden Regionen gab es aber auch zwei Schließungen. Sie sind neben Düsseldorf – mit einer Neueröffnung und keiner Schließung – die einzigen Gebiete, die überhaupt einen Zuwachs um eine Apotheke verzeichnen können.
„Zu geringe Honorierung, zu viel Bürokratie, nicht enden wollende Lieferengpässe, ein sich immer mehr verschärfen-der Fachkräftemangel – das alles macht es den Inhaberinnen und Inhabern schwer“, sagt Hoffmann.
Der Blick in die Zukunft ist düster. Rund ein Drittel der Apothekeninhaber:innen in Nordrhein ist 60 Jahre oder älter. „Das bedeutet, dass wir dringend junge Approbierte brauchen, die bereit sind, diese Apotheken früher oder später zu übernehmen“, so Hoffmann. Es müsse mehr Geld ins System. Eine Honoraranpassung fällig, denn dieses sei auf dem Stand von vor 20 Jahren.
Auch aus Berlin nahe keine Rettung – und zwar schon seit 24 Jahren nicht. „Siebter Minister in Folge kann Trend nicht stoppen“, heißt es von der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR): Ende 1999 gab es in Nordrhein noch 2583 Apotheken. Das sind 574 mehr als heute. Sieben Gesundheitsminister:innen später – Andrea Fischer, Ulla Schmidt, Philipp Rösler, Daniel Bahr, Hermann Gröhe, Jens Spahn und Karl Lauterbach – sei keine Trendwende in Sicht.
„Auch die jüngsten Pläne aus Berlin werden die Abwärtsspirale nicht aufhalten. Mehr noch, Lauterbachs Ideen haben das Potenzial, das bewährte System zu zerstören. Sie sorgen schon jetzt für enorme Verunsicherung bei den Kollegen. Ich bin enttäuscht, dass gerade ein Sozialdemokrat die Versorgung vor Ort so dermaßen ruiniert und große Kapitalgesellschaften gestärkt werden. Apotheken ohne Apotheker, keine adäquate Verbesserung der Vergütung – Lauterbachs bisherige Initiativen und Pläne sind unzureichend und gehen an der Realität vorbei“, so Hoffmann.
Julia Klauser, ehemals Inhaberin der Kloster-Apotheke, Frechen: „Es ist ein wunderschöner Beruf. Der Bürokratie-Wahnsinn, der Fachkräftemangel, die Geringschätzung durch die Politik, das macht einen mürbe. Ich habe seit anderthalb Jahren keinen Urlaub mehr gehabt. Von morgens bis abends muss ich irgendwelche Formfehler korrigieren, die andere gemacht haben, die mir aber ans Geld gehen. Retaxationen nennt man das dann. Oft darf ich den Menschen nicht das geben, was ich dahabe. Rabattverträge kennen, bloß keine Kreuzchen vergessen, sonst kriegt man von der Kasse gar kein Geld mehr. Neulich hat eine Kollegin einem Patienten das Leben gerettet – er sollte auf einmal eine 10-fach höhere Dosis bekommen. Wenn meine Mitarbeiterin das nicht bemerkt hätte, wäre sein Leben in Gefahr gewesen. Aber Herr Lauterbach möchte Apotheken ohne Apotheker. Meine Mutter und ich haben die Apotheke 55 Jahre geführt, jetzt reicht es mir. Ich tue mir das nicht mehr an.“ (Frau Klauser hat ihre Apotheke im Erftkreis zum 1. Januar 2024 geschlossen und taucht daher in der Jahres-Statistik 2023 nicht auf.)
Hans Jakob Goldstein, ehemals Inhaber der Südpark-Apotheke, Neuss: „Ich bin über 70 und habe die vergangenen zweieinhalb Jahre vergeblich versucht, Personal zu finden. Umsatz und Kostenstruktur waren in Ordnung – ich war mit drei Interessenten im Gespräch, wegen einer Übernahme der Apotheke. Aber als die gehört haben, dass es so schwer ist, PTA zu finden, haben sie Abstand davon genommen und ich musste die Apotheke schließen, nach mehr als 44 Jahren.“ (Schließung zum 20. Dezember 2023)
Klaus Hoffmann, ehemals Inhaber der Scarabäus-Apotheke, Solingen: „Über die Jahre hatte ich bis zu drei Apotheken – das macht natürlich eine Menge Arbeit und jede Filiale ist auch teurer als die Hauptapotheke. Am Ende war es eine Art Abwägungsprozess. Viel zu tun, bei einem immer kleiner werdenden Betriebsergebnis. Man ist Heilberufler, ganz klar, aber eben auch Kaufmann. Die Elch-Apotheke, die mir noch gehört, liegt relativ nah zur ehemaligen Scarabäus-Apotheke. Viele Patienten kommen nun hier her.“ (Schließung zum 28. Februar 2023)
Birgit Claessen, ehemals Inhaberin der Burg-Apotheke, Würselen: „Der Abschied von den Patienten war herzzerreißend. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich wahrscheinlich weiter-gemacht, bis ich umgefallen wäre. Seit 1984 habe ich in der Apotheke gearbeitet und sie dann 1998 selbst übernommen. Das, was heute landläufig als ‚Work Life Balance‘ bezeichnet wird, hat es mir unglaublich schwergemacht. Mitarbeiterinnen, die halbtags arbeiten wollen oder sich eine längere Auszeit nehmen wollten, konnte ich kurzfristig nicht ersetzen. Mit meinen 68 Jahren war ich vielleicht auch keine ganz so attraktive Arbeitgeberin mehr. Die Bewerber wollten eine Perspektive, die sie in mir nicht mehr gesehen haben. Dieser nicht zu überwindende Personalmangel, der hat ein Weiterführen der Apotheke unmöglich gemacht.“ (Schließung zum 30. November 2023)
Auch die Apothekerkammer Westfalen-Lippe verzeichnet im vergangenen Jahr einen Rückgang von 49 Apotheken – 53 Schließungen, vier Neueröffnungen.
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