Der Apothekerverband Westfalen Lippe (AVWL) hat eine Entscheidung über die Beteiligung an der geplanten Digitalgesellschaft „Gedisa“ des Deutschen Apothekerverbands (DAV) vertagt. Laut dem neuen Vorsitzenden Thomas Rochell fehlen noch Informationen für eine begründete Entscheidung. Der AVWL hat zudem beschlossen, dass Filialapotheken bei den Beiträgen voll zur Kasse gebeten werden.
Für Rochell war es die erste Mitgliederversammlung unter seiner Führung als Vorsitzender des AVWL. Viel Vorbereitungszeit hatte er nicht – erst am Montag hatte der bisherige Verbandschef Dr. Klaus Michels überraschend seinen Rücktritt aus persönlichen Gründen erklärt. Da die Abstimmung über die Beteiligung an der geplanten „Gesellschaft für digitale Services der Apotheke“ (Gedisa) kurzfristig von der Tagesordnung genommen wurde, liegt nahe, dass es über diese Frage Unstimmigkeiten in der Verbandsspitze gab.
Es geht für den AVWL auch um viel Geld: Über drei Jahre soll allein dieser Landesverband jährlich 600.000 Euro beisteuern. Aufgrund der hohen finanziellen Pflichten, die damit auf den Verband zukommen, sehe sich der Vorstand verpflichtet, die Mitgliederversammlung über eine etwaige Beteiligung abstimmen zu lassen, sagte Rochell. Allerdings fehlten noch immer die Informationen und Unterlagen, die die Mitglieder als Grundlage einer Entscheidung benötigten. Sobald alle offenen Fragen beantwortet seien, werde es eine außerordentliche Mitgliederversammlung geben, kündigte Rochel an.
Passend zum Thema muss der Verband von seinen Mitgliedern mehr Geld einsammeln. Bei der beschlossenen Beitragserhöhung trifft es vor allem Filialverbünde. Die Mitglieder haben sich mehrheitlich dafür entschieden, dass die Beiträge für Filialapotheken an diejenigen für Hauptapotheken angepasst werden.
Kurz vor der Bundestagswahl forderte Rochell von der Politik in seiner ersten Rede als Vorsitzender mehr Dienstleistungen, mehr Verlässlichkeit, mehr Studienplätze und eine konsequente Verteidigung der Preisbindung. Die Apotheken vor Ort müssten weiter konsequent gestärkt werden, da die Corona-Krise gezeigt habe, wie wichtig ein dichtes, stabiles Apothekennetz zur Krisen- und Katastrophenbewältigung sei.
„Vor allem die Parteien der großen Koalition sind jedoch offenbar der Überzeugung, in der auslaufenden Legislaturperiode die Apotheken vor Ort ausreichend gestärkt zu haben“, kritisierte Rochell. Er forderte mehr Verlässlichkeit der Politik als in den vergangenen Monaten, in denen zum Beispiel binnen weniger Tage die zugesagte Vergütung für die Ausstellung von Impfzertifikaten wieder gekürzt worden war. Ferner appellierte er, die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel konsequent zu verteidigen, um eine sichere Patientenversorgung gewährleisten zu können.
Er plädierte zudem dafür, in Westfalen-Lippe mehr Studienplätze einzurichten, um dem Fachkräfteengpass entgegenzuwirken und damit die pharmazeutische Betreuung einer älter werdenden Gesellschaft mit erhöhtem Arzneimittelbedarf sicherzustellen. Zu diesem Zweck müsse ein zusätzlicher Studiengang in der Region Ostwestfalen-Lippe etabliert werden. Die Apothekerschaft müsse geschlossen bereitstehen, dieses Vorhaben durch die Anschubfinanzierung einer Stiftungsprofessur zu unterstützen, so Rochell an seine Kollegen.
Und schließlich warb er bei der Politik dafür, die Gesundheitsversorgung der Bürger durch einen konsequenten Ausbau der pharmazeutischen Dienstleistungen zu verbessern. Die bisher in Aussicht gestellten Mittel in Höhe von 150 Millionen Euro seien nicht ausreichend. Mit den Covid-Schnelltests, der Ausstellung von Impfzertifikaten sowie künftig auch Impfangeboten, bewiesen die Apotheken vor Ort, wie leistungsfähig sie seien. Rochell appellierte auch an seine Kolleginnen und Kollegen, diese Dienstleistungen im Sinne der Patienten auszubauen und die Vorteile des E-Rezepts zu nutzen, das spätestens ab Januar 2022 kommen soll. Dieses biete unter anderem die Chance, die Patientensicherheit weiter zu verbessern.
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