Niedrigzinsen

Lebensversicherung: Schicksalsfrage für Generationen

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Berlin -

Nicht nur die Versorgungswerke der Apotheker stellt die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) vor immer größere Probleme. Jetzt sehen die Lebensversicherer das Fundament für den sicheren Ruhestand in großer Gefahr. Der Grund: Gegen den Willen der Versicherungsbranche senkt Finanzminister Wolfgang Schäuble den höchstens erlaubten Garantiezins für Lebensversicherungen ab 2017 von 1,25 Prozent auf nur noch 0,9 Prozent. Damit stehen Neukunden deutlich schlechter da als zuvor.

Die Niedrigzinspolitik entwickelt sich zur Schicksalsfrage für Generationen: Sie zerstört das Fundament für einen sicheren Ruhestand von Millionen Menschen in Europa. Die EZB muss umkehren, denn ihr geldpolitischer Kurs entpuppt sich als zu risikoreich“, kritisiert GDV-Präsident Alexander Erdland gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Für die meisten Alt-Kunden hat die Senkung des Garantiezinses keine praktische Auswirkung. Bestehende Verträge sind nicht betroffen. Für Neuverträge liegt der Garantiezins seit 2015 bei 1,25 Prozent, davor betrug diese garantierte Rendite aber schon einmal 4 Prozent. Für Altverträge mit einer Rendite von bis zu 4 Prozent ändert sich nichts.

Mit einer Absenkung auf 0,9 Prozent ist das Finanzministerium konservativer als die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV), die Vereinigung der Versicherungsmathematiker. Diese hatte empfohlen, den Garantiezins für Neuverträge ab 2018 auf 1,0 Prozent zu senken und 2017 den Zins bei 1,25 Prozent zu belassen.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sieht von der Nullzinspolitik der EZB alle Sparer tangiert. „Besonders betroffen sind aber die Baby-Boomer, die in 15 bis 20 Jahren in Rente gehen. Sie haben wegen der demografischen Entwicklung ohnehin eine hohe Versorgungslücke, die der Zinsverfall noch vergrößert“, so der GDV. Der GDV zeigt die Konsequenzen für die Sparer auf: Wer heute 50 Jahr alt ist und zu Rentenbeginn mit 67 Jahren 50.000 Euro angespart haben will, müsste bei einem Zinssatz von 3 Prozent pro Jahr heute einmalig 20.600 Euro anlegen. Bei einem Zins von 1 Prozent braucht der Sparer 37.100 Euro.

Wer schon länger spare, sei ebenfalls betroffen, so die Versicherungswirtschaft: Bei einer 30-jährigen Ansparphase und einem Zinsrückgang von 4 Prozent auf 1 Prozent nach 15 Jahren müsse die monatliche Sparleistung ungefähr verdoppelt werden, um den gleichen Endbetrag zu erzielen. „Die Rechnung macht deutlich, wie wertvoll Zinsgarantien für Altersvorsorgesparer sein können“, so der GDV.

Aus Sicht des GDV profitiert vor allem der Staat von den Niedrigzinsen: Allein in Deutschland hätten die öffentlichen Haushalte seit dem Jahr 2008 knapp 200 Milliarden Euro an Zinszahlungen eingespart. Für die Finanzminister des gesamten Euro-Raums summierten sich die Einsparungen bei anhaltenden niedrigen Zinsen in den nächsten Jahren auf mehr als 1 Billion Euro. „Dies ist sehr viel Geld, das den Menschen in Europa für die Altersvorsorge fehlen wird“, so der GDV.

Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase hatte kürzlich die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein ihre Rentenprognose deutlich gestutzt: Der Rechnungzinssatz soll von derzeit 3,65 Prozent auf 2 Prozent sinken – bezogen auf die künftigen Beiträge aller Mitglieder. Für einen 25-jährigen Neueinsteiger sinkt die Anwartschaft damit um ein sattes Drittel: Statt 4010 Euro erhält er in 40 Jahren nur noch rund 2700 Euro. Für ältere Versicherte fällt der Abschlag geringer aus.

Im Mai entscheidet die Kammerversammlung in Schleswig-Holstein. Geprüft hat das Versorgungswerk mehrere Varianten zur Absenkung des Rechnungszinssatzes. Die Kammerversammlung liegt der Vorschlag zur Beratung vor, „den Rechnungszinssatz auf 2 Prozent abzusenken und zwar bezogen auf die künftigen Beiträge aller Mitglieder“. Aktuelle Mitglieder der Apothekerversorgung sollen künftig zwei Rechnungszinssätze erhalten: Für bereits gezahlte Beträge bleibt es beim Satz von 3,65 Prozent. Für Beiträge nach der Beschlussfassung soll dann der neue Rechnungszinssatz gelten.

Auch die Allianz tritt bereits im Lebensversicherungs-Geschäft auf die Bremse. Der Versicherer versucht, die Kunden von der traditionellen Kapital-Lebensversicherung auf neue Konzepte umzulenken. Nach der Ankündigung Schäubles, den Garantiezins zu senken, hatte die Allianz mitgeteilt, dass sie die klassische Lebensversicherung mit Garantiezins zwar weiterhin anbiete, sie aber „angesichts höherer Rendite-Chancen bei anderen Vorsorgekonzepten nicht empfehlen“ könne.

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