Niedersächsischer Apothekertag

Linz: Gleichpreisigkeit erhalten, Patientenschutz sichern

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Berlin -

Im Kampf gegen den oft unerkannten Medikamentenmissbrauch kommt Apothekern eine wichtige Rolle zu. „Die beste Chance hat man, wenn man ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinen Kunden hat und auf sensible Art mit ihnen sprechen kann“, sagte die Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, Magdalene Linz, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Beim Apothekertag am Wochenende in Hannover war aber nicht nur die Sucht nach Schlaf- und Schmerzmitteln ein Thema. Linz pochte auf die Einhaltung des Koalitionsvertrages und rasche politische Entscheidungen.

In Deutschland gelten laut Kammer etwa 600.000 Menschen als abhängig von Opiaten, weitere 1,2 bis 1,5 Millionen als abhängig von Benzodiazepinen wie Valium. Nach Angaben der ABDA steht die Arzneimittelabhängigkeit damit bundesweit auf Platz zwei - nach Tabak, aber noch vor Alkohol. Medikamentenmissbrauch lasse sich meist nur bei Stammkunden erkennen, räumte Linz ein.

Gerade im ländlichen Raum sei die Bindung zur Apotheke vor Ort sehr groß. 75 bis 80 Prozent der Kunden gehen der Kammerpräsidentin zufolge nur zu einer Apotheke. Bei dem heiklen Thema seien kommunikative Fähigkeiten gefragt. „Hier sollte es ausreichend spezielle Fortbildungen geben.“ Apotheker könnten Abhängigkeiten zwar nicht therapieren. „Aber wir können Türöffner sein und auf Hilfsangebote hinweisen.“

Wenn Süchtige bei verschiedenen Online-Apotheken bestellten, falle dies niemandem auf, sagte Linz: „Man muss die Frage stellen, ob nicht der Versandhandel Medikamentenmissbrauch Vorschub leisten kann.“ Aus ihrer Sicht sollten mehr Arzneimittel vom Online-Handel ausgeschlossen werden.

Auch rezeptfreie Schlaf- und Schmerzmittel sowie Nasensprays können abhängig machen. Laut ABDA nehmen fünf bis acht Prozent aller Kopfschmerz-Patienten Mittel in zu hoher Dosis. Diese könnten wiederum Kopfschmerzen auslösen, erklärte die Kammerpräsidentin. „Hier ist genauso wie bei den Nasensprays Aufklärung nötig. So ist es bei einer Abhängigkeit ratsam, zunächst auf niedriger dosierte Sprays für Kinder und dann auf Meersalz-Sprays umzustellen.“

Studien zufolge entwickeln Frauen über 40 Jahren besonders häufig Arzneimittelabhängigkeiten. Diese liegen vor, wenn die Einnahme einer bestimmten Menge an Schmerz-, Schlaf- oder Beruhigungsmitteln notwendig sei, um sich wohlzufühlen oder Belastungen zu bewältigen. Symptome können Zittern oder gar Halluzinationen sein. Mittel zum Schlafen oder Beruhigen einzunehmen, halten viele für harmlos. Nach einer Forsa-Umfrage wird der Missbrauch von Medikamenten von fast der Hälfte der Deutschen (43 Prozent) akzeptiert.

Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) sagte, Apotheken seien eine wichtige Schnittstelle zwischen Ärzten und Patienten. Für die Menschen in den ländlichen Regionen habe die Apotheke eine ganz besondere Bedeutung. Deswegen setze sich die Landesregierung auch vor dem Hintergrund der derzeit auf Bundesebene geplanten Gesetzesänderungen dafür ein, diese Strukturen zu erhalten.

Linz appellierte an die Politik, für die Apotheken verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen: „Die qualitative Weiterentwicklung der Arzneimittelversorgung und deren Honorierung hat für uns eine sehr hohe Priorität.“ Die Apotheker leisteten schon heute einen wesentlichen Beitrag, um die Arzneimitteltherapie sicherer zu machen und weiter zu verbessern. Angesichts einer alternden Bevölkerung, den täglichen Lieferengpässen und der wachsenden Zahl hochkomplexer Therapiemöglichkeiten werde die Expertise qualifizierter Apotheker immer wichtiger. Linz: „Und die Apotheken vor Ort müssen dafür wirtschaftlich gestärkt werden. Ich erneuere deshalb unser Dialogangebot: Wir sind bereit, pharmazeutische Dienstleistungen ‚on top‘ anzubieten. Doch diese müssen auch ‚on top‘ vergütet werden.“

Linz pochte auf die Einhaltung des Koalitionsvertrages: „Darin sichern CDU und SPD zu, sich für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einzusetzen. Führende Gutachter haben bestätigt, dass dies europa- und verfassungsrechtlich machbar ist. Doch nichts geschieht – weil solch ein Verbot derzeit politisch nicht gewollt ist. Angesichts der Aufforderung der Europäischen Kommission an die Bundesregierung, die Preisbindung bei Rx-Arzneimitteln für ausländische Versender aufzuheben, ist politisches Handeln zwingend erforderlich, um die Wettbewerbsgleichheit wiederherzustellen.“

Wie Linz sprach auch Berend Groeneveld, Vorstandsvorsitzender des LAV, die ausstehende Antwort von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf die von der Apothekerschaft vorgeschlagenen Änderungen des „Spahn-Pakets“ an: „Für uns ist es eine Hängepartie, denn zurzeit heißt es ‚still ruht der See´. Ich hoffe, dass das Bundesgesundheitsministerium diese Zeit nutzt und unsere Vorschläge intensiv prüft. Wir fordern weiterhin: Keine Ausnahmeregelungen für europäische Arzneimittelversender und eine vollständige Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit für alle zum Wohle der Patienten. Nur auf diese Weise kann die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch Apotheken vor Ort gesichert werden.“

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