Zusammenschluss

Neue Initiative will Antibiotika-Forschung vorantreiben

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Ingelheim/Berlin -

Unternehmen, Stiftungen, die Europäische Entwicklungsbank – sie haben sich zusammengetan und wollen Geld in die Entwicklung neuer Antibiotika stecken. Die WHO begrüßt das und bezeichnet Resistenzen gegen existierende Antibiotika als „langsamen Tsunami”.

Ein Zusammenschluss vor allem von Pharmafirmen und Stiftungen will mit insgesamt fast einer Milliarde US-Dollar die Entwicklung neuer Antibiotika vorantreiben. Ziel ist es, bis 2030 zwei bis vier neue Antibiotika bereitzustellen. Das geschieht vor dem Hintergrund, dass immer mehr Erreger wie Bakterien Resistenzen gegen existierende Antibiotika entwickeln. Die am Donnerstag in Berlin und Washington verkündete Kooperation nennt sich AMR Action Fund, AMR steht für Antimicrobial resistance, also Antibiotikaresistenz.

AMR stelle eine sich abzeichnende globale Krise dar, die das Potenzial habe, Covid-19 in Bezug auf Todesfälle und wirtschaftliche Kosten in den Schatten zu stellen, teilte der Fund mit, der ab dem vierten Quartal dieses Jahres mit seiner eigentlichen Arbeit loslegen will. Schon jetzt stürben jedes Jahr rund 700.000 Menschen weltweit an AMR. Die alarmierendsten Szenarien gingen davon aus, dass es bis 2050 jährlich bis zu zehn Millionen Menschen das Leben kosten könnte.

„AMR ist ein globales Thema”, sagte Hubertus von Baumbach der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Er ist Vorsitzender der Unternehmensleitung von Boehringer Ingelheim, das Teil des Funds ist. Bei dem gehe es im Kern darum, Biotechs bei der Entwicklung von Antibiotika zu unterstützen. Mit von der Partie sind über 20 Unternehmen, darunter Bayer, Merck, die Schweizer Konzerne Novartis und Roche, die US-Firmen Eli Lilly, GlaxoSmithKline, Johnson & Johnson, Pfizer oder die Europäische Investitionsbank (EIB).

WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus, sagte laut Mitteilung, die Weltgesundheitsorganisation freue sich auf die Zusammenarbeit mit dem AMR Action Fund. „AMR ist ein langsamer Tsunami, der ein Jahrhundert des medizinischen Fortschritts zunichte zu machen droht.” Die WHO hatte im Januar bereits bemängelt, die Entwicklung neuer wirksamer Antibiotika verlaufe bedrohlich langsam. Die Bekämpfung multiresistenter Infektionen werde von zurückgehenden Investitionen und einem Mangel an echten Innovationen untergraben.

Dass sich bei der Entwicklung neuer Antibiotika zu wenig tut, liegt nach Einschätzung von Baumbachs daran, dass es für diese Mittel keinen funktionierenden Markt gebe. Biotechs bekämen am Kapitalmarkt keine Finanzierung für ihre Antibiotika-Projekte. Das liege etwa daran, dass Ärzte bei Behandlungen oft erst ältere Antibiotika verschrieben. Erst wenn diese nicht wirkten, griffen sie sinnvollerweise zu neueren mit weniger Risiko für Resistenzen. Es würden vergleichsweise wenig Menschen mit neuen Antibiotika behandelt, sie brächten während des Patentschutzes weniger Geld.

Adäquate Einnahmen seien aber nötig, sagte von Baumbach. Sonst sei niemand bereit, das Investitionsrisiko einzugehen. „Wir springen jetzt erstmal in die Risikobresche ein.” Auf lange Sicht müsse die Politik Veränderungen herbeiführen. Denkbar seien zum Beispiel längere Patentzeiten für Antibiotika, alternative Erstattungsmodelle oder ein differenziertes Preisgefüge.

Boehringer hat auch ein großes Geschäft mit Tiermedizin. Darum gehe es beim AMR Action Fund aber höchstens in untergeordneter Rolle, betonte von Baumbach. So könnte etwa geschaut werden, ob ein neues, ursprünglich für den Menschen gedachtes Antibiotika stattdessen im Tierbereich therapeutisch eingesetzt werden könne, wenn es bei Menschen keine Wirkung zeige. „Der Fokus liegt aber klar auf der Humanmedizin.”

 

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