Am 20. September wird das Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Bundesrat im ersten Durchgang beraten. Dazu hat der Gesundheitsausschuss jetzt eine Empfehlung erarbeitet: Die Gesundheitsminister der Länder fordern ein striktes Verbot des Versandhandels und begründen dies ausführlich. Außerdem halten die Länder das Verbot von Rx-Boni im Sozialgesetzbuch (SGB V) für verfassungswidrig. Rechtlich umgesetzt werden soll das Rx-Versandverbot im Arzneimittelgesetz (AMG).
Zur Umsetzung des Rx-Versandverbots schlägt der Gesundheitsausschuss eine Änderung des Paragrafen 43 AMG vor. Darin heißt es: „Arzneimittel [...], die nicht [...] für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, dürfen [...] berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden; das Nähere regelt das Apothekengesetz.“ Gestrichen werden soll „ohne behördliche Erlaubnis“. Damit wäre der Versand verboten.
Ausführlich begründet der Gesundheitsausschuss der Länderkammer seine Sichtweise: Leben und Gesundheit von Menschen nähmen in der Werteordnung der EU und des Grundgesetzes den Rang von Höchstwerten ein, heißt es dort. Und die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung sei Angelegenheit der Mitgliedstaaten. Dies umfasse auch die ordnungsgemäße flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Die flächendeckende Arzneimittelversorgung insbesondere auch zu Not- und Nachtdienstzeiten sei eine staatliche Schutzpflicht und damit eine Kernaufgabe des Staates. Daher habe der Gesetzgeber die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln den Apotheken übertragen. Deren Finanzierung werde durch die Apothekenzuschläge im Rahmen der einheitlichen Apothekenabgabepreise verschreibungspflichtiger Arzneimittel sichergestellt. Diese Preisbindung ist damit für die Erhaltung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung von besonderer Bedeutung.
Spahns Gesetzentwurf sei eine Reaktion auf das EuGH-Urteil von Oktober 2016. Mit dem geplanten Boniverbot gelte die Preisbindung aber nur noch für inländische Apotheken mit und ohne Versandhandelserlaubnis sowie nur für GKV-Versicherte, nicht aber für ausländische Arzneimittelversender, Privatversicherte und Selbstzahler. Die Verschiebung des Boniverbots ins Sozialrecht beseitigt nach Ansicht des Gesundheitsausschusses deren Europarechtswidrigkeit nicht. Zudem würde eine Ungleichbehandlung zwischen inländischen und ausländischen Arzneimittelversendern sowie zwischen GKV-Versicherten einerseits und Privatversicherten sowie Selbstzahlern andererseits gesetzlich festgeschrieben. Eine solche Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund wäre verfassungswidrig, kritisiert der Ausschuss.
Die Länder halten dagegen ein Rx-Versandverbot für europa- und verfassungsrechtskonform. Verfassungsrechtlich sei ein Rx-Versandverbot grundsätzlich zulässig und entspreche dem zugestandenen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum des Staates. Weder die Berufsausübungsfreiheit noch der Gleichheitsgrundsatz stünden einem Verbot entgegen. Bei der Arzneimittelpreisbindung handelt es sich um einen wichtigen Gemeinwohlbelang.
Das Rx-Versandverbot sichere auch die Aufrechterhaltung der tragenden sozialrechtlichen Strukturprinzipien, wie dem Sachleistungs- oder auch dem Solidaritätsprinzip. Hierdurch werde auch weiterhin gewährleistet, dass das deutsche Gesundheitswesen strukturell intakt bleibe und Patienten keine gesundheitlichen Nachteile durch einen unsachgemäßen Preiswettbewerb ausgesetzt würden.
Dann verweist der Gesundheitsausschuss darauf, dass in den meisten EU-Staaten der Rx-Versandhandel verboten ist. Einem erneuten Verbot stehe nicht entgegen, dass der Versandhandel zunächst verboten war und dann durch den Bundesgesetzgeber erlaubt worden sei. Während 2004 bei der Zulassung des Rx-Versandhandels die Arzneimittelpreisbindung die flächendeckende Arzneimittelversorgung in Deutschland noch geschützt habe, sei nach dem EuGH-Urteil eine Neubewertung des Sachverhalts geboten. Die enorme Bedeutung der Gleichpreisigkeit für das deutsche Gesundheitssystem und für die flächendeckende Arzneimittelversorgung rechtfertige daher ein Versandverbot mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Andere Mittel zur gebotenen Wiederherstellung der erforderlichen allgemeinen Rx-Preisbindung seien dagegen nicht erkennbar.
Nicht durchgehen lassen wollen die Gesundheitsminister der Länder auch Spahns Regelungen zu den Abgabeautomaten. Die Bereitstellung beziehungsweise Ausgabe von Arzneimitteln durch sogenannte automatisierte Abgabeautomaten solle zwar an enge Voraussetzungen geknüpft werden. Nicht zulassen wollen die Ländergesundheitsminister die Möglichkeit der Beratung im Wege der Telekommunikation. Diese geplante abweichende Regelung eröffne den Einsatz automatisierter Abgabeautomaten im Zusammenhang mit einer Versandhandelserlaubnis. Dadurch würden insbesondere europäische Versandapotheken begünstigt. Dadurch wird die Intention des Gesetzentwurfs, Vor-Ort-Apotheken zu stärken, konterkariert. Die Länder fordern die Streichung dieser Passage.
Allerdings: Welchen Einfluss das Votum des Gesundheitsausschusses auf die weitere Gesetzgebung hat, bleibt abzuwarten. Nicht immer übernehmen die Ministerpräsidenten die Empfehlungen der Ausschüsse in der Plenarabstimmung. Außerdem ist das Apothekenstärkungsgesetz im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Allerdings könnten die Länder als Druckmittel die Zustimmung zu den zum VOASG gehörenden Verordnungen zum Botendienst und zu Erhöhung des Not- und Nachtdienstes nutzen.
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