Die Burda-Tochter Netdoktor hat die Kooperation des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) mit Google gestoppt. Das Landgericht München I untersagte im einstweiligen Verfügungsverfahren das Projekt rund um das nationale Gesundheitsportal.
Das Gericht hat dem BMG und Google vorläufig eine Zusammenarbeit untersagt, die darauf gerichtet ist, bei der Google-Suche nach Krankheiten prominent hervorgehobene Infoboxen mit Gesundheitsinformationen anzuzeigen, die aus den Inhalten des Nationalen Gesundheitsportals des BMG gespeist und mit einem Link zum Portal gesund.bund.de versehen sind. Die Richter bewerten dies als Kartellverstoß. Die Vereinbarung bewirke eine Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt für Gesundheitsportale.
Laut der Vorsitzenden Richterin, Dr. Gesa Lutz, ist der Betrieb des Nationalen Gesundheitsportals durch das BMG „keine rein hoheitliche Tätigkeit, sondern eine wirtschaftliche, die anhand des Kartellrechts zu prüfen ist“. Das BMG sei mit Google eine Vereinbarung eingegangen, die eine Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt für Gesundheitsportale bewirke. „Denn die bestmögliche Position auf der Ergebnisseite der Google-Suche, nämlich die neu geschaffene, prominent hervorgehobene Position ‚0‘ in der Infobox, steht privaten Anbietern von Gesundheitsportalen von vornherein nicht zur Verfügung.“
Als Betreiber eines Gesundheitsportals sei Netdoktor in besonderem Maße davon abhängig, auf der Suchergebnisseite der Google-Suche eine gute Sichtbarkeit zu erzielen, da rund 90 Prozent der Nutzer über eine Google-Suche bei Netdoktor landeten. „Diese Sichtbarkeit wird stark eingeschränkt, weil die Infoboxen die Aufmerksamkeit der Nutzer von den allgemeinen Suchergebnissen ablenken und auf sich ziehen. Damit stillen sie das Informationsbedürfnis der Nutzer bereits vielfach. Dies führt zu einer Verringerung des Nutzeraufkommens bei Netdoktor und damit potentiell auch zu einem Verlust von Werbeeinnahmen, mit denen NetDoktor als privater Anbieter sein Portal finanziert.“
Die Zusammenarbeit von Google und dem BMG ist laut Gericht auch nicht wegen qualitativer Effizienzgewinne, etwa wegen einer Verringerung des Suchaufwands für die Nutzer oder einer Verbesserung der Gesundheitsaufklärung der Bevölkerung durch die Infoboxen, ausnahmsweise zulässig. „Denn etwaige mit der Zusammenarbeit verbundene Vorteile wiegen jedenfalls nicht die Nachteile auf. Diese liegen insbesondere in einer möglichen Verdrängung der seriösen privaten Gesundheitsportale und in der damit verbundenen drohenden Reduzierung der Medien- und Meinungsvielfalt.“
Das Gericht bewertet die Anträge auf Erlass der einstweiligen Verfügungen auch als dringlich: Netdoktor habe glaubhaft gemacht, dass sich die geringere Sichtbarkeit bei einigen besonders oft gesuchten Krankheiten seit Beginn der Zusammenarbeit von Google und dem BMG bereits in rückläufigen Klickraten ausgewirkt habe. „Den daher zu befürchtenden Verlust von Werbeeinnahmen muss Netdoktor nicht abwarten, bevor das private Portal gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen kann.“
Nicht entschieden wurde über die Frage der Zulässigkeit des Nationalen Gesundheitsportals als solches. Der hierauf zielende Antrag wurde von Netdoktor nach Hinweis der Kammer zurückgenommen. Ein weiterer Antrag, der auf einseitiges marktmissbräuchliches Verhalten von Google gestützt war, wurde aus formellen Gründen zurückgewiesen.
Google-Sprecher Kay Oberbeck sagte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zur Gerichtsentscheidung: „Menschen suchen und erwarten die relevantesten, vertrauenswürdigen Informationen über Gesundheit in der Pandemie und darüber hinaus.” Man sei enttäuscht darüber, dass das Landgericht die Einbindung von faktischen und wissenschaftlich fundierten Informationen des Bundesgesundheitsministeriums in die Google-Suche nun untersagt habe. „Wir prüfen die Entscheidung des Gerichts und die uns zur Verfügung stehenden Rechtsmittel.”
Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Es handelt sich um einstweilige Verfügungsverfahren. Hauptsacheverfahren sind noch nicht anhängig.
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