Drei Jahre lang will die Abda ihre Nachwuchskampagne fahren, Abda-Vize Mathias Arnold, Kommunikationschef Benjamin Rohrer und Matthias Cieslak von Agentur Cyrano stellten die Maßnahmen vor. Den Anfang machen Berufevideos und eine Mockumentary.
„Bei allen Berufsbildern gibt es Nachwuchsprobleme“, so Arnold. Jetzt gelte es, diese Herausforderung anzunehmen. Die Abda gehe die Nachwuchssuche offensiv an. Denn: „Nachwuchsprobleme gehören zu den größten Defiziten im Versorgungsalltag.“ Bis 2029 könnten bis zu 10.000 Fachkräfte im Markt fehlen.
Beispielsweise bei den Assistenzberufen PTA und PKA gibt es derzeit mehr offene Ausbildungsstellen als Interessent:innen. Das Problem: Die meisten kennen Apotheke nur aus Sicht der Patient:innen; was hinter dem HV-Tisch stattfindet, sei vielen nicht bekannt. Apotheke sei mehr als nur der Kontakt zu Kund:innen.
Ziel der Kampagne sei es, die Vielfalt der Arbeitsplätze in der Apotheke sichtbar zu machen – und dass nicht für jeden Apothekenberuf ein Abitur erforderlich ist. „Apotheken haben sich in ihrer 750-jährigen Geschichte immer neu erfunden und sind noch immer da.“ Es bestehe mehr und mehr der Anspruch, die Patient:innen umfassend zu beraten. Man wolle auch zeigen, dass es Berufe seien, die vor Ort stattfinden und im Team erfolgen.
„Wer den Beruf heute erlernt, wird immer Arbeit finden.“ Die Arbeit sei sehr flexibel. Man könne überall in Deutschland arbeiten – egal, ob man gerne Ski fahre oder das Meer liebe.
Zielgruppe der Nachwuchskampagne seien junge Menschen, die jetzt lebensverändernde Maßnahmen ergreifen. Für die Nachwuchsgewinnung sei ein neuer aufmerksamkeitsstarker, mutiger Weg erforderlich, so Arnold.
Die Kampagne „How to sell drugs offline (fast)“ startet im Februar. Die Maßnahmen zielen laut Abda konkret auf die Kommunikationskanäle und -mittel von Jugendlichen ab – Instagram, Youtube, Snapchat und TikTok. Außerdem werde es Werbematerial für Berufs- und Ausbildungsmessen geben.
„Es ist eine sehr mutige Kampagne, die man vielleicht nicht in der Apothekerschaft verortet hätte“, findet Arnold. „Wir müssen die Zielgruppe erreichen und nicht in erster Linie die Apothekerschaft.“
Die Kampagne setzt auf zwei Ebenen – die Aufmerksamkeitsebene wird mit auffälligen polarisierenden Claims bespielt via Postkarten, Aufkleber und Plakate sowie einer Videoserie. Diese Mockumentary „Die Apotheke“ sei das Herzstück und umfasse zehn Folgen – willkommen in der Lotus-Apotheke: „Zehn Episoden dieses Infotainment-Formats zeigen das Miteinander eines fiktionalen Apothekenteams als Mischung aus Parodie und scheinbar realen Vorgängen“, so die Abda.
Start der Mockumentary mit echten Schauspieler:innen ist am 1. Februar. Dann wird der Teaser gezeigt, ab dem 8. Februar kommt jeden Donnerstag eine neue Folge. Die Serie ist laut Rohrer ein gelungenes Kommunikationsmittel, um junge Leute auf die Apothekenberufe anzusprechen.
Der Teaser, der jetzt schon auf der Abda-Webseite zu sehen ist, zeigt den imaginären PhiP Reza, der aus dem Backoffice nicht in den Handverkauf will („Ich geh da nicht raus!“), und PTA-Praktikantin Paula, die auf die Begrüßung an ihrem ersten Tag („Hey Neue!“) antwortet: „Ich kündige.“ Ihren Crush auf Reza kommentiert sie mit den Worten „Wer will schon mit einem Dealer zusammen sein?“ Außerdem kommt sie mit der PKA Jay nicht klar. Und dann ist da noch der Kunde ganz allein in der Offizin, der das neue Medikament will.
Die Abda plant zudem einen großen Auftritt der Serie im Kino Babylon in Berlin. Das Event soll am 27. Februar stattfinden, eingeladen werden unter anderem PTA-Schulen, die die Serie anschauen und an der anschließenden Podiumsdiskussion zum Thema Fachkräftemangel im Apothekenmarkt mit der Abda-Präsidentin teilnehmen können. Außerdem gibt es ein Meet & Greet mit den Darsteller:innen sowie einen „bunten Info-Abend“.
Die zweite Ebene ist die Informationsebene, laut Rohrer die zentrale Ebene für die Abda. Habe man die Aufmerksamkeit des Nachwuchses, müsse man informieren. Dafür gibt es die Webseite Apothekenkarriere, wo mit How-to-Videos über die Arbeit der einzelnen Berufe informiert wird. Außerdem wird die virtuelle Apotheke ein Baustein sein, ebenso wie Infoflyer und weitere Materialien.
„Die Berufevideos sind das Highlight der Informationsebene“, so Rohrer. Ab dem 1. Februar werden die sechs Folgen – drei Videos zu PTA, zwei Videos zu PKA und ein Video über Apotheker:innen – auf neuem YouTube-Kanal und der Webseite ausgespielt. In den Videos werden echte Apothekenangestellte gezeigt.
Das Video mit PTA Katharina erzählt über eine Beratungssituation in der Apotheke und stellt die Arbeit in der Rezeptur vor – es geht um Plausicheck und Herstellung in der Fantaschale, Herstellungsprotokoll und das Arbeiten unter Aufsicht. PTA: ein Job, „um Menschen zu helfen“.
Die Finanzierung wurde laut Rohrer in den Gremien beschlossen und das Budget eingehalten. Zusätzliche Mittel waren nicht nötig. „Alle Gremien müssen der Kampagne zustimmen“, so Rohrer. Über die Höhe des Budgets gibt der Kommunikationschef keine Auskunft.
Aus der Apothekerschaft kam Kritik zur Kampagne. Drugs bedeute Drogen und keine Apotheke wolle als Umschlagplatz für Drogen angesehen werden. Arnold entschärft den Vorwurf: „Niemand vermutete in New York bei einem Laden mit dem Namen Drugs, dass es da Drogen gibt. Man kann es mit Absicht fehldeuten.“ Wenn jemand glaubt, Apotheken handeln mit Drogen, sei das an den Haaren herbeigezogen. „Wir kriminalisieren die Apotheke an keiner Stelle“, so Cieslak.
Wesentlich wichtiger sei es, dass man auf die Ebene der Jugend komme. „Wir werden die politische Arbeit nicht weglassen. Aber jetzt sind wir in der Phase, wo die Schüler sich Gedanken machen, wo sie sich bewerben.“
Man habe sich bewusst für eine proaktive Jugendsprache entschieden: „Übersteigung und Zuspitzung sind in Recruiting-Kampagnen und Werbung nichts Ungewöhnliches“, so Cieslak: „Die BVG in Berlin ist wahrlich bekannt für gute Werbung – nach der Schule auf die schiefe Bahn“. Zudem habe die Bundeswehr auf der Gamescom nach Multiplayern gesucht. „Niemand kann wirklich ernsthaft auf die Idee kommen, dass in der Apotheke illegale Drogen verkauft werden.“
Und auch die Anlehnung an den Titel der Netflix-Serie „How to sell drugs online (fast)“ sei unproblematisch. „Wir haben einen eigenständigen Titel. Es entsteht ja niemandem ein Schaden. Die Menschen, die bei Netflix arbeiten, haben ein großes Interesse an Arzneimittelversorgung.“ Die Abda hatte sich die Wort-Bild-Marke gesichert, allerdings können für kreative Werke auch Urheberrechte geltend gemacht werden.
„Wer die Netflix-Serie kennt, umso besser. Wer nicht, wird die Kampagne trotzdem verstehen. Wir haben gar kein Vorbild.“
Die Planung der Nachwuchskampagne begann vor mehr als einem Jahr, die Kampagnendauer beträgt drei Jahre – weitere Inhalte sind geplant. Die Serie läuft in den nächsten Wochen und Monaten und wird hoffentlich in den nächsten drei Jahren noch zu sein sehen, so Rohrer. Man sitze an weiteren Konzepten – auch mit Blick auf das Budget.
APOTHEKE ADHOC Debatte