„Wo bist du so lange gewesen“, grummelte mir Max, meine alte Fantaschale und Begleiter in endlosen Nachtdienstnächten, aus seinem Dämmerschlaf entgegen, „ich habe dich schon vermisst.“ „Ich habe einen Ausflug gemacht“, erzählte ich ihm, als ich mich zu ihm ins Nachtdienstzimmer auf die Couch legte. „Das ist gut, Gratulation, Reisen bildet. Und endlich bist du mal wieder herausgekommen, hast dir den Duft der großen weiten Welt um die Nase wehen lassen.“ „Schön wäre das, ich bin nur bis nach Karlsruhe gekommen“, erzählte ich Max.
„Karlsruhe? Das ist doch die Stadt mit den vielen großen Gerichten?“ „Ganz recht, da residiert das Bundesverfassungsgericht. Aber so weit sind wir noch nicht. Das kann noch kommen. Ich war zu Besuch beim Bundesgerichtshof.“ „Interessant“, wachte die Fantaschale auf, „da ging es sicher wieder einmal um Leben oder Tod.“
„Ganz so schlimm ist es noch nicht“, entgegnete ich ihr, „nur unsere Existenz steht wieder mal auf dem Spiel.“ Ich versuchte der Fantaschale zu erklären, dass es um den Unterschied zwischen Rabatt und Skonti ging: „Rabatt bekommt man, Skonti nimmt man sich.“ „Das verstehe ich nicht“, zeigte sich Max irritiert, „am Ende ist doch beides das Gleiche. Du musst weniger bezahlen.“ „Das sieht die Wettbewerbszentrale genauso. Und da liegt unser Problem.“ „Das ist wirklich kompliziert“, zeigte sich Max irritiert.
„Schau dir nur mal meine Großhandelsrechnung an. Über 20 Seiten lang ist die jeden Monat. Da stehen Positionen drauf, von denen hast du noch nie etwas gehört: Rabatte runter, Rabatte rauf, Konditionen hier, Konditionen da, dann gibt es noch Mehrfachbelieferungszuschläge und Abschläge für Retouren. Und am Ende hoffentlich noch Skonto. Keiner blickt durch – alles Skonto, oder was?“
„Das kommt mir bekannt vor“, freute sich jetzt Max. „Da kann ich mitreden. So ähnlich sieht das mit meiner Handyrechnung auch aus. Das hat System. Die wollen gar nicht, dass du durchblickst, dass du weißt, wie viel du unterm Strich bezahlst.“ „Genau, so ist das mit dem Großhandelsrechnungen auch. Deswegen haben die Richter keine Entscheidung getroffen, als sich in die Nesseln zu setzen.“
„Lieber nichts tun, als Fehler machen,“ so kommt man gut durchs Leben. „Dabei sollten die Richter mit ihren schicken Roben und hohen Einkommen doch wenigstens etwas von Geld verstehen.“ „Um Skonto und Rabatte müssen die sich im richtigen Leben bestimmt nicht kümmern. Dafür ist es viel zu gemütlich beim Bundesgerichtshof. Mittags lassen sie es sich auf der Terrasse erst mal richtig gut gehen – ohne Rabatt und Skonto versteht sich. Und zu geht es dort wie bei Hofe: Keiner weiß Bescheid, keiner gibt dir Informationen. Alle paar Minuten behauptet jeder etwas anders. Alle warten auch den Chef und der will auch nur möglichst früh nach Hause kommen.“
„Das hört sich irgendwie gut an“, grinste die Fantaschale, „wenn du noch einmal auf die Welt kommst, solltest du lieber Jura studieren und nach Karlsruhe gehen. Dann musst du dir wenigstens nicht die Nächte um die Ohren Schlagen.“ „Du hast gut lachen. Aber ich weiß immer noch nicht, wie es weitergeht. Und die Großhändler wollen uns schon das Fall über die Ohren ziehen und die Konditionen kürzen.“ „Ich dachte immer, Großhändler und Apotheker sitzen in einem Boot. So wird das doch immer auf festlichen Veranstaltungen beschworen.“ „Alles nur schöne Worte. Aber keiner redet darüber, wer rudert und wer auf dem Sonnendeck liegt.“ „Das Sonnendeck ist schon belegt. Da liegen bereits die Richter“, grinste Max.
„...und womöglich der Großhandel“, führte ich seinen Gedanken fort. „Denn die Wettbewerbszentrale hat uns Apotheker ganz schön in die Bredouille gebracht. Weil sie uns Gutes tun wollte, hat sie erst gegen den DocMorris-Bonus geklagt und dann gegen die Neulinge von AEP. Aber jetzt stehen wir möglicherweise wie die Dummen da. Der EuGH hat ausländischen Versandapotheken Rx-Boni erlaubt. Und vielleicht verbietet der BGH demnächst dem Großhandel unsere Skonti. Dann wären wir komplett gekniffen.“
„Das ist ja wirklich ein Dilemma“, runzelte Max die Stirn, „ich dachte immer, die Wettbewerbszentrale sei so etwas wie der Robin Hood der Schwachen und Entrechteten im großen Wettbewerb.“ „Bedenke das Ende! Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Das kann jetzt ganz schön nach hinten losgehen: Wir sitzen zwar in einem Boot mit dem Großhandel. Aber wir müssen rudern, angekettet wie die Sklaven auf den Strafgaleeren der alten Römer. Und die anderen lachen sich eins in Fäustchen.“
„Du machst mir richtig Angst“, schüttelte sich Max, „lass uns lieber einen Horrorfilm schauen, da ist wenigsten das Ende absehbar und manchmal geht es sogar gut aus.“ „Von Horror hab ich die Nase voll seit Karlsruhe. Ich geh jetzt schlafen.“ „Träum schön und vor allem nicht von den roten Roben. Bis nächsten Sonntag...“
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