Angestellte benachteiligt

Nachtdienst: Tariferhöhung gilt nicht für Freizeitausgleich

, Uhr
Berlin -

Die Erhöhung des Tariflohns sorgt bei vielen Apothekenangestellten für gute Stimmung. Für Approbierte, die einen Freizeitausgleich für den Nacht- und Notdienst erhalten, gibt es jedoch keinen Grund zu feiern. Denn die Stundenzahl wurde nicht analog zur Erhöhung der Vergütung angepasst. Inhaber:innen können auf den alten Zeiten beharren, da das Thema eine Änderung des Bundesrahmentarifvertrags erfordert.

Im neuen Gehaltstarifvertrag, der nach der Tariferhöhung rückwirkend seit Januar gilt, ist nicht nur eine Anpassung des regulären Gehalts geregelt. Einen Zuschlag gibt es auch für Apotheker:innen, die Notdienste übernehmen. Je nach Berufsjahr gibt es 77 bis 92 Euro (18.30 bis 22 Uhr), 120 bis 144 Euro (22 bis 8 Uhr) oder 230 bis 276 Euro (Sonn- und Feiertage von 8 bis 18.30 Uhr).

„Bei mir wären es für den zweiten Teil des Nachtdiensts 149 statt vorher 85 Euro“, sagt eine angestellte Apothekerin aus Südwestdeutschland. Allerdings zahlt ihr Arbeitgeber diesen nicht. Denn die Vergütung kann nach Wahl der Apothekeninhaberin oder des Apothekeninhabers laut Bundesrahmentarifvertrag (BRTV) auch in Form von Freizeit erfolgen.

Die Freizeit ist demnach mit einem Zuschlag zu versehen und sollte zusammenhängend im Folgemonat gewährt werden. Der Vertrag gibt auch vor, wie viel Freizeit den Angestellten zugestanden wird: „Für jede Notdienstbereitschaft in der Nacht (18.30 bis 8 Uhr) wird nach Wahl des Apothekeninhabers entweder eine Freizeit gewährt, die für die Zeit von 18.30 bis 22 Uhr 3,5 Stunden, ab 22 bis 8 Uhr 5,5 Stunden beträgt“, heißt es.

Vier Stunden mehr gefordert

„Ich finde es gegenüber den angestellten Apothekern unfair, dass ich nur 5,5 Stunden aufschreiben kann, obwohl es eine Entgelterhöhung von 70 Prozent gab“, kritisiert die Approbierte. Sie fordert, dass sie einen höheren Freizeitausgleich erhält. Bei ihrem Chef kommt sie jedoch nicht weiter, da er sich an den BRTV hält.

„Der Freizeitausgleich muss dringend neu geregelt werden“, sagt sie. „Wenn ich es im Verhältnis der Tariferhöhung sehe, müssten es vier Stunden mehr sein.“ Momentan sind diejenigen Kolleg:innen benachteiligt, die einen Freizeitausgleich erhalten. „Bisher habe ich all die Jahre gut gelebt damit.“ Sie will lieber unerkannt bleiben, da sie ihrem Chef „nicht auf den Schlips treten will“, wie sie sagt. „Es ist ein guter Chef, für diese Regelung kann er nichts.“

Die Adexa teilt auf Anfrage mit, dass das Thema auf der Agenda der Tarifkommission stehe. „Für eine Anpassung des Freizeitausgleichs muss § 6 BRTV entsprechend geändert werden“, sagt Adexa-Vorstand Tanja Kratt, die die Tarifkommission leitet. Einen Termin für Gespräche mit den Arbeitgebern über eine Anpassung der Regelung gibt es noch nicht. Die Adexa teilt auf Nachfrage nicht mit, welche Forderungen sie diesbezüglich einbringen will.

Da die meisten angestellten Approbierten mehr als 13 Prozent über Tarif erhalten, wird laut Adexa meist kein Freizeitausgleich fällig: „Durch ein Gehalt, das um mindestens 13 Prozent über dem Tarifgehalt liegt, ist die Notdienstbereitschaft abgegolten“, heißt es im Vertrag. Zahlen, für wieviele Angestellte dies gilt, lägen nicht vor. „Man muss dann als Approbierte aber darauf achten, dass man bei einer hohen Anzahl an Notdiensten nicht das Tarifgehalt unterschreitet“, warnt die Adexa. Denn durch die Ableistung von Notdiensten dürfe die tarifliche Vergütung des Gehaltstarifvertrages nicht unterschritten werden.

8,50 Euro pro Stunde für Notdienst

Die angestellte Apothekerin ist seit 2005 Filialleiterin und macht den Job gerne. „Auch wenn es über die Jahre nicht einfacher geworden ist.“ Gerade mit den neuen Anforderungen der Pandemie und der Herausforderung als Leiterin, Aufgaben einer Inhaber:in und einer Angestellten unter einen Hut zu bringen. „Bei den Nachtdiensten habe ich manchmal das Gefühl, mich zu zerreißen.“ Brutto liege ihr Stundenlohn für Notdienste bei 8,50 Euro – und damit deutlich unter dem Mindestlohn.

Wenn dann die „typischen Notdienstfragen“ kämen, gingen die Dienste schon ab und an die Substanz. Dazu zähle die Frage, ob die Apotheke geöffnet sei. „Ich sage mittlerweile schon immer am Telefon sofort, dass wir Notdienst haben.“ Zudem sei es „gruselig“, dass es immer wieder vorkomme, dass Frauen nachts um drei Uhr ganz dringend einen Schwangerschaftstest benötigten. „Ein Problem am Nacht- und Notdienst ist, dass die Bevölkerung denkt, wir haben immer offen und sie können alles und immer jederzeit verfügbar haben.“

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Ausbildungsfonds gerichtlich bestätigt
Bremen: Wer nicht ausbildet, zahlt
Tarifverhandlungen in Nordrhein
TGL: Verhandlungen laufen
Mehr aus Ressort
ApoRG in nächster Legislatur
Köpping setzt auf Nachwuchsförderung
Zwischen 0,4 und 1,9 Prozentpunkten
Mehrheit der Kassen erhöht Beitrag

APOTHEKE ADHOC Debatte