Warnung vor Lieferengpässen

Nach Impfstart: Rufe nach schnellerer Produktion

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Berlin -

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist zuversichtlich, dass die Produktion des Corona-Impfstoffs in Deutschland bald hochgefahren werden kann. „Wir tun alles zusammen mit Biontech-Pfizer, dass es zusätzliche Produktionsstätten hier in Deutschland etwa in Marburg in Hessen geben kann“, sagte Spahn am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Ziel ist, noch im Februar/März dort auch Produktion möglich zu machen. Und das würde die Menge enorm erhöhen.“

Biontech hat die Marburger Produktionsanlage von dem Schweizer Pharmariesen Novartis übernommen. Nach Angaben des Unternehmens sind dort nun einige Umstellungen nötig, bevor es auch dort mit der Produktion des Covid-19-Impfstoffs losgehen kann. Forderungen nach mehr Tempo wies Spahn zurück. Die Herstellung von Impfstoffen sei überaus anspruchsvoll, sie könne nicht in drei oder vier Wochen beliebig hochgefahren werden. „Das braucht Vorlauf, und das ist in Vorbereitung in Marburg“, betonte er.

Der Gesundheitsminister rechnet außerdem „in den ersten Januartagen“ mit der Zulassung des Impfstoffs von US-Hersteller Moderna, wie er im Interview mit der „Bayern 2-radioWelt“ des Bayerischen Rundfunks deutlich machte. Zwei bis drei weitere Kandidaten seien auf dem Weg in die Zulassung, fügte er hinzu und bekräftigte erneut das Ziel, bis zum Sommer jedem Bürger ein Impfangebot machen zu können. „Weihnachten nächstes Jahr soll wieder normal werden können.“

Für die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna sind dem Gesundheitsministerium zufolge insgesamt 136,3 Millionen Dosen
sicher, die nahezu alle 2021 geliefert werden könnten. Mit je zwei nötigen Dosen ließen sich so rechnerisch 68,2 Millionen Bürger impfen – bei 83 Millionen Einwohnern in Deutschland.

Generell sei es einfach falsch, wenn der Eindruck entstehe, alle Länder außer Deutschland hätten genügend Impfstoff, so Spahn: „Der ist überall knapp, für alle auf der Welt.“ Die Bundesregierung arbeite daran, dass es bald mehr Impfstoff gebe. „Aber wir machen das so, dass dann anschließend auch die Qualität stimmt.“

Nach dem Start der Corona-Impfungen hatte es Forderungen nach einem höheren Tempo bei der Impfstoffproduktion gegeben. „Es ist ein krisenhafter Zustand, da brauchen wir eine Krisenproduktion“, sagte FDP-Chef Christian Lindner am Sonntagabend in einer Bild-Sendung. Deutschland müsse rechtlich, wirtschaftlich, politisch und technologisch alles tun, damit schneller geimpft werden könne. „Das ist eine Frage von Leben und Tod, eine Frage unserer Freiheit. Und es ist eine Überlebensfrage auch für unsere Wirtschaft, denn die ist schon auf der Intensivstation.“

Konkret regte er an, darüber nachzudenken, ob ein knapper Impfstoff wie der von Biontech nicht von anderen Herstellern in Lizenz produziert werden könnte. „Die Regierung sollte mit der pharmazeutischen Industrie insgesamt prüfen: Wo gibt es noch Kapazitäten, die genutzt werden können für die Produktion eines Impfstoffs?“

Der Linken-Gesundheitspolitiker Achim Kessler sagte dem „Spiegel“: „Der Gesundheitsminister kann nach dem Ersten Bevölkerungsschutzgesetz Unternehmen zwingen, anderen Unternehmen eine Lizenz zum Nachproduzieren zu gewähren.“ Das müsse die Bundesregierung jetzt schnell tun. „Wenn die Bundesregierung jetzt nicht alle gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpft, gefährdet sie zahllose Menschenleben.“

Mit Befremden reagierte Spahn auf den Vorschlag: „Eine Produktion für einen Impfstoff ist hoch anspruchsvoll und hochkomplex, die kann man nicht mal eben per Lizenz bei einem anderen Unternehmen machen“, sagte er. Gerade auch für das Vertrauen in den Impfstoff ist es wichtig, dass alle Qualitätsanforderungen eingehalten würden.

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte vor negativen Folgen durch Lieferengpässe gewarnt. „Endloses Warten reduziert auch die Bereitschaft der Bevölkerung, sich impfen zu lassen“, sagte der CSU-Chef der Deutschen Presse-Agentur in München. Leider sei noch nicht genügend Impfstoff vorhanden.

Warnend äußerte sich auch der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. „Die Impfung läuft gut an. Das Problem aber ist, dass wir mit dem vorhandenen Impfstoff nur fünf Millionen Menschen bis Ende März impfen können“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Uns läuft aber die Zeit davon. Das Virus hat bereits Mutationen gebildet.“

Kritiker hatten der EU und auch Deutschland vorgehalten, zu wenig Impfstoff bestellt zu haben, weshalb es in anderen Staaten weltweit schneller vorangehe mit den Impfungen. Lindner sagte zu dem Thema, die Bundesregierung habe ihre Bestellung „sehr spät“ angepasst und erst kurz vor Weihnachten 30 Millionen Dosen zusätzlich geordert. Andere hätten da ihre Bestellungen bereits abgeschlossen.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig wies auf die Verantwortung der Bundesregierung für die Beschaffung hin. „Ich habe die Sorge, dass wir nicht immer genügend Impfstoff rechtzeitig da haben“, sagte die SPD-Politikerin in einer „Bild“-Sendung. Sie gehe aber davon aus, dass die Bundesregierung dafür sorgt, dass genügend Impfstoff bereitsteht.

Die Pharmaindustrie widersprach dem Vorwurf, wonach die Produktion des Corona-Impfstoffs zu langsam anläuft. „Wir sehen in Deutschland sechs Tage nach der Zulassung erste Corona-Impfungen, und wir werden im Januar noch deutlich mehr Impfungen haben, weil immer mehr der vom Staat bestellten Mengen geliefert werden“, sagte der Präsident des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa), Han Steutel, der Augsburger Allgemeinen. Er verwies darauf, dass
überall in Deutschland die Produktionskapazität für den Corona-Impfstoff hochgefahren werde. „Und jeder weitere Hersteller, der eine Zulassung erhält, wird ebenfalls mit vorproduzierten Chargen schnell im Markt sein.“

In Deutschland waren am Sonntag mobile Teams ausgeschwärmt, um zuerst vor allem Menschen über 80 in Pflege- und Seniorenheimen sowie Pflegekräfte und besonders gefährdetes Klinikpersonal zu impfen. Zunächst standen bundesweit nur gut 150.000 Impfdosen bereit. Bis Jahresende sollen es 1,3 Millionen und Ende März über zehn Millionen Impfdosen sein.

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