Ermittlungen gegen Inhaber

Nach Behörden-Warnung: Apotheke vor dem Aus

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Berlin -

Der Streit um die St.Martins-Apotheke im bayerischen Jettingen-Scheppach hält an: Die Offizin von Inhaber Dr. Michael Lyhs steht offenbar kurz vor der Schließung. Das Landratsamt Günzburg hat ihm die Betriebserlaubnis entzogen. Doch Lyhs wehrt sich juristisch, er hat Klage gegen den Bescheid eingereicht. Mit einem Eilantrag könnte er der baldigen Schließung noch zuvorkommen – ihm bleiben aber nur noch zwei Wochen.

Das Vorgehen des Landratsamtes lässt Lyhs und seinen Betrieb in schlechtem Licht erscheinen: „Für uns gibt es klare Hinweise darauf, dass die Zuverlässigkeit des Betreibers nicht gewährleistet ist“, erklärt ein Sprecher auf Anfrage. Und mehr noch: Reicht ein Inhaber Klage gegen den Entzug der Betriebserlaubnis ein, hätte das normalerweise aufschiebende Wirkung. Nicht jedoch in Lyhs‘ Fall: Denn das Landratsamt hat die Maßnahme zum Sofortvollzug ausgesetzt, weil es durch die St.Martin-Apotheke „Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ gefährdet sieht. Dem wiederum kann er sich nur mit einem eigenen Eilantrag widersetzen, viel Zeit bleibt ihm aber nicht mehr.

Denn der sofortige Entzug der Betriebslerlaubnis ist laut Landratsamt auf den 20. September datiert. Mit der Zustellung beginnt eine sechswöchige Abwicklungsfrist – die dementsprechend am 1. November endet. Beim Landratsamt vermutet man, dass der Eilantrag noch kommt – zeigt sich aber selbstsicher: „Wir gehen davon aus, dass unser Bescheid hält“, so ein Sprecher.

Parallel dazu drohen Lyhs strafrechtliche Konsequenzen. Bereits im Mai hatte die Polizei sowohl die Apotheke als auch in Lyhs Privathaus durchsucht. Dabei seien nicht nur „größere Mengen an Substanzen, Verpackungsmaterialien und Endprodukten“ sichergestellt, sondern auch „etwas mehr festgestellt“ worden, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Memmingen. Da es sich um laufende Ermittlungen handelt, könne man aber keine weiteren Details nennen. Die bei den Durchsuchungen sichergestellten Gegenstände würden nach wie vor ausgewertet. Nicht zuletzt solle festgestellt werden, ob und in welchem Umfang er gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen hat. Lyhs selbst wollte sich auf mehrfache Anfrage hin nicht zu den Vorwürfen äußern.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Inhaber, weil er als Nahrungsergänzungsmittel deklarierte Produkte vertrieben haben soll, die verschreibungspflichtige Substanzen enthalten. Konkret handelt es sich um Procain und Roter Reisschalenextrakt. Lyhs hatte Präparate verkauft, die beides enthielten. Laut Polizei hat er damit nicht als solche deklarierte Defekturarzneimittel hergestellt und sowohl über seine St. Martins-Apotheke in Jettingen-Scheppach, deren Filiale, die von seiner Frau geführten Rathaus-Apotheke im selben Ort, und die von seinem Schwager betriebene Stauden-Apotheke in Langenneufnach vertrieben. Auch über den Online-Shop seiner Apotheke habe er die Produkte verkauft.

Anfang September standen dann Beamte des Landratsamts vor der Offizin und erklärten ihm, sie müssten im Schaufenster einen Aushang befestigen und die Räumlichkeiten der Apotheke in Augenschein nehmen. Das Landratsamt, so der Aushang, warne „aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes eindringlich vor der Einnahme folgender Defekturarzneimittel: Procain und Roter Reisschalenextrakt“. Zusätzlich veröffentlichte die Behörde eine „Warnung vor selbst hergestellten Produkten aus der St. Martins-Apotheke“, in der es heißt, „auf Grund der im Rahmen einer Überprüfung der Herstellungsbedingungen vorgefundenen Umstände“ sei auch bei anderen in der Apotheke hergestellten Arzneimitteln „nicht gewährleistet, dass diese nicht bedenklich oder in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert“ seien. „Vorsorglich sollte deshalb auch von der Einnahme anderer, in den drei Apotheken selbst hergestellten und abgegebenen (Defektur-)Arzneimitteln abgesehen werden.“

„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, wies Lyhs die Anschuldigungen Anfang September noch zurück. „Weder Roter Reisextrakt noch Procain sind verschreibungspflichtig.“ Das ist allerdings nur teilweise korrekt: Der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) zufolge ist Procain zwar tatsächlich nicht verschreibungspflichtig – allerdings nur in „Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung ohne Zusatz weiterer arzneilich wirksamer Bestandteile in Konzentrationen bis zu 2 Prozent zur intrakutanen Anwendung an der gesunden Haut im Rahmen der Neuraltherapie“ sowie bei „Arzneimitteln zum Aufbringen auf die Haut oder Schleimhaut, außer zur Anwendung am Auge“.

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