Neuwahlen wohl am 9. März

Nach Ampel-Aus: Wissing bleibt Minister Patrick Hollstein, 07.11.2024 07:41 Uhr aktualisiert am 07.11.2024 08:50 Uhr

Verkehrsminister Volker Wissing (links) kehrt Christian Lindner und der FDP den Rücken und bleibt im Amt. Foto: Andreas Domma
Berlin - 

Volker Wissing tritt nach dem krachenden Ende der Ampel aus der FDP aus und bleibt Verkehrsminister. Die anderen bislang FDP-geführten Ministerien sollen amtierende Kabinettsmitglieder aus den Reihen von Grünen und SPD vorübergehend übernehmen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will mindestens bis Januar weiter regieren und wichtige Gesetze, die keinen Aufschub dulden, durchbringen. CDU-Chef Friedrich Merz fordert von Scholz, die Vertrauensfrage schon diese oder spätestens nächste Woche zu stellen und nicht erst wie geplant im Januar.

Er habe mit Scholz gesprochen und werde sein Amt weiter ausüben. Der Kanzler habe ihn in einem persönlichem Gespräch gefragt, ob er bereit sei, sein Amt als Verkehrsminister weiterzuführen. Dies habe er bejaht. Um keine Belastung für seine Partei zu sein, verlasse er die FDP, dies habe er Parteichef Christian Lindner heute Morgen mitgeteilt. Er plane nicht, in eine andere Partei einzutreten, so Wissing, der sich mit dem Schritt nicht von den Grundwerten seiner Partei distanziere. „Dies ist eine persönliche Entscheidung. Ich möchte mir selbst treu bleiben.“ Die Entscheidung entspreche Wissings Verständnis von Verantwortung. Er hätte sich gewünscht, dass man als Ampel besser gearbeitet hätte. Die Ampel habe öffentlich gestritten, statt Brücken zu bauen. Es müsse Kompromissbereitschaft geben, um Lösungen im Sinne der Bürger:innen zu erreichen. Wissing werde alles daran setzen, die angestoßenen Reformen – wie beispielsweise die Korridorsanierung – fortzuführen. Entscheidungen müssten über die Parteigrenzen hinaus im Sinne der Bevölkerung mitgetragen werden.

Vier bislang FDP-geführte Ministerien sind nach dem Bruch der Ampel zu besetzen. Nachdem es zunächst geheißen hatte, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) übernehme das Finanzministerium kommissarisch, wies er selbst dies zurück: Er strebe nicht an, jetzt übergangsweise Finanzminister zu werden, sagte er im „Deutschlandfunk“. Auch SPD-Generalsekretär Matthias Miersch dementierte diese Meldung: „Es wird einen anderen Minister geben“, sagte er im ARD-Morgenmagazin. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios wird Jörg Kukies neuer Finanzminister. Kukies ist Wirtschaftswissenschaftler und war bevor er 2021 ins Kanzleramt wechselte Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Zudem gilt er als wichtiger Berater von Scholz.

Die Aufgaben von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger soll Familienministerin Lisa Paus (Grüne) übernehmen, im Justizministerium übernimmt Innenministerin Nancy Faeser (SPD) die Leitung von Marco Buschmann. Die Vertretungsregelungen waren bereits bei der Regierungsbildung verabredet worden.

Als Termin für mögliche Neuwahlen brachte Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) bei der Fraktionssitzung den 9. März ins Spiel. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte im Interview mit RTL, dass nach ihrer Überzeugung dann erneut Scholz als Kanzlerkandidat antreten werde.

Wichtige Gesetze durchbringen

Scholz will im Januar die Vertrauensfrage stellen, bis dahin will er noch Gesetze durchbringen, die im Interesse des Landes sind und keinen Aufschub dulden.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hätte auch seine Vorhaben gerne noch durchgebracht und bedauerte das Aus der Ampel: Alle wollten weitermachen, auch die FDP-Minister. Es sei eine One-Man-Enscheidung gewesen, wird er bei Bild zitiert. Allerdings ist unklar, welche Gesetze aus seinem Haus jetzt noch auf der Agenda stehen.

Vor allem beim Haushalt braucht es eine Einigung. Scholz hatte in seiner Rede betont, dass er auf den Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) zugehen wolle, um gemeinsam zentrale Themen zu lösen.

Heftiger Schlagabtausch

Während die Union sich seit Monaten auf das Aus der Ampel vorbereitet hat, gab es seit gestern aus dieser Richtung keine sonderlich zugespitzten Kommentare. Dagegen zerlegen sich die ehemaligen Partner nach dem krachenden Ende ihres gestörten Bündnisses selbst. Nachdem Scholz offen gegen Lindner geätzt hatte und ihm vorgeworfen hatte, dringend notwendige Gesetze „sachfremd blockiert“ und „kleinkariert parteipolitisch taktiert“ und auch sein Vertrauen immer wieder gebrochen zu haben, schoss Lindner zurück: Die Pläne von Scholz seien matt, unambitioniert und kraftlos. Er unterstellte Scholz auch, seine Rede von langer Hand vorbereitet zu haben – und damit auch den Koalitionsbruch.

Hielt sich die Grünen-Spitze am Abend noch zurück, kam heute auch aus dieser Richtung massive Kritik in Richtung FDP. Fraktionsvize Britta Haßelmann warf Lindner vor, seinen Job nicht vernünftig gemacht zu haben. Mit „Egoismen und Destruktivität“ habe er die Arbeit der Ampel verhindert.