Abwasser-Richtlinie

Müller: Brauchen Lösung für Generika

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Berlin -

Die Koalitionsverhandlungen dauern an, erste gesundheitspolitische Vorschläge der Parteien sind bereits an die Öffentlichkeit gedrungen. Beim wissenschaftlichen Symposium der Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen (GRPG) wurden zentrale Reformvorhaben diskutiert. Ein Schwerpunkt lag auf der Arzneimittelversorgung und dem Pharmastandort Deutschland. Dazu sprachen unter anderem Thomas Müller, Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium (BMG), und Oliver Kirst, Vorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI).

„Die Pharmastrategie war in der letzten Legislatur ein großes Projekt“, erklärte Müller. Sie sei im Medizinforschungsgesetz (MFG) aufgegangen, das seit Oktober 2023 in Kraft ist. Nun gehe es darum, sie konsequent umzusetzen und ihre Wirkung zu entfalten.

Beim EU-Pharmapaket sei man mittlerweile in der finalen Phase. „In Brüssel mahlen die Mühlen langsamer“, so Müller. Im Pharma-Paket ginge es um entscheidende Punkte wie Unterlagenschutz, Bürokratieabbau und regulatorische Vereinfachungen. Hinzu komme der Critical Medicines Act, der im März vorgelegt und bis Ende des Jahres beraten werden soll. Ziel sei hier, die Abhängigkeit von China und Indien zu reduzieren und die Versorgungssicherheit zu verbessern.

Probleme mit dem Green-Deal

Der Green Deal bringe erhebliche Herausforderungen für die Pharmaindustrie mit sich. Müller betonte, dass die Ziele zwar grundsätzlich richtig seien, die Maßnahmen jedoch gravierende Folgen hätten. Besonders bei der Abwasserrichtlinie habe sich die EU-Kommission die Sache zu leicht gemacht. „Viele der neuen Substanzen sind zwar Biologika, aber klassische chemische Generika sind sehr robust und müssen herausgefiltert werden“, erklärt er. Die Einführung einer erweiterten Verursacherverantwortung würde Milliardenbeträge für eine vierte Klärstufe erfordern – und das bei Cent-Beträgen, die die Krankenkassen für Generika zahlen. „Das rechnet sich nicht.“

Auch Kirst sieht in den geplanten Abwasserrichtlinien ein Problem. Die pharmazeutische Industrie soll für die Kosten der vierten Klärstufe aufkommen – eine Belastung von 30 bis 35 Milliarden Euro über die nächsten 30 Jahre. Viele Unternehmen mit geringen Margen könnten das wirtschaftlich nicht stemmen, was Versorgungsengpässe und Innovationsrückgänge zur Folge hätte.

US-Zölle

Die Folgen der Trump-Regierung in den USA sind laut Müller noch nicht absehbar. Neben drohender Zölle könnten auch die neue Personalentscheidungen in den dortigen Behörden Einfluss auf Zulassungsverfahren nehmen. „Der US-Arzneimittelmarkt ist besonders im innovativen Bereich von großer Bedeutung“, so Müller. Allerdings würden auch amerikanische Pharmafirmen global agieren. Ob die FDA weiterhin als Innovationsmotor agiere oder sich das Verhältnis verändere, werde sich zeigen müssen.

GKV-Finanzen

Auch die GKV-Finanzen standen im Fokus. Die Ausgaben für Arzneimittel stiegen vor allem durch patentgeschützte Medikamente. Generika blieben dagegen eher kosteneffizient, könnten jedoch durch Umweltauflagen und Maßnahmen zur Standortstärkung etwas verteuert werden. „Die Instrumente Rabattverträge und Festbeträge sind sehr effizient“, so Müller. Patentmittel seien eine Herausforderung.

Neue Therapiemöglichkeiten wie Gentherapie seien noch eine Nische, könnten aber langfristig die Therapieansätze verändern – insbesondere, wenn es gelänge, Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson mit einer einmaligen Intervention zu behandeln. In diesem Zusammenhang müsse dann sichergestellt werden, dass neue Vergütungsmodelle nicht nur den Herstellern langfristige Einnahmen garantierten, sondern auch für die Solidarsysteme tragbar seien.

„Ich erwarte in der nächsten Legislatur noch keine Disruption“, sagte Müller. Das MFG und das EU-Pharmapaket hätten gute Grundlagen geschaffen, und in den politischen Vorschlägen zeige sich die Bereitschaft, diesen Weg weiterzugehen.

Pharma braucht bessere Rahmenbedingungen

Kirst hob die Bedeutung der Gesundheitsindustrie für die Gesamtwirtschaft hervor. In Deutschland seien bereits 18 Prozent der Beschäftigten in diesem Sektor tätig, jeder siebte Arbeitsplatz hänge von der Gesundheitsbranche ab. Die Industrie verfüge über eine hohe Innovationskraft und erhebliches Wachstumspotenzial, werde aber durch Bürokratie und regulatorische Belastungen ausgebremst.

Laut Kirst hat Deutschland kein Einnahme-, sondern ein Effizienzproblem. Trotz hoher Gesundheitsausgaben sei die Versorgung nur mittelmäßig. Digitalisierung müsse deutlich schneller vorangetrieben werden. Der Anteil der Arzneimittelausgaben der GKV sei seit 20 Jahren stabil, dennoch werde kontinuierlich Alarm geschlagen. Weitere Sparmaßnahmen könnten massive Folgen für die Versorgung haben.

Die Gesundheitsversorgung müsse als Investition in die Zukunft verstanden werden. Um den Standort Deutschland zu stärken, brauche es bessere Rahmenbedingungen. Notwendig seien ein faires Preissystem, der Abbau bürokratischer Hürden und innovationsfreundliche Anreize, etwa durch steuerliche Förderung risikoreicher Forschungsprojekte. Das MFG sei ein guter Ansatz, müsse aber regelmäßig evaluiert und weiterentwickelt werden.

Kirst betonte zudem die Bedeutung der Apotheken für die Arzneimittelversorgung. „Apothekenpflichtige Mittel sollten auch in der Apotheke bleiben“, erklärte er.

Die Solidargemeinschaft, in der jeder in der Kasse gesetzlich geregelt einen von Tag 1 geregelten Zugang habe, schaffe ein stabiles Umfeld, auch die Industrie trage Mitverantwortung zur Finanzierung dieses Systems. „Wir brauchen auch einen Solidarpakt mit den Anbietern“, so Müller. Trotzdem sieht auch Müller, dass Innovation bessere Anreize brauche, man brauche schließlich die besten Leute und stehe im Wettbewerb. „Geld ist nun mal der beste Anreiz“, so Müller.

Zusammenarbeit im Gesundheitssystem

Nach der Diskussion ging es in der Abschlussrunde noch um Kooperation im Gesundheitswesen. „Als Apothekerinnen und Apotheker haben wir den direkten Kontakt zu den Patientinnen und Patienten. Wir müssen darauf achten, die freie Arzt- und Apothekenwahl zu erhalten und gleichzeitig sicherstellen, dass die Patienten an die richtige Stelle verwiesen werden“, erklärte Apothekerin Dr. Kerstin Kemmritz.

Kordula Schulz-Asche (Grüne) betonte die Herausforderungen im Gesundheitswesen. „Das ist eines der Hauptprobleme. Es fehlt an übergreifender Zusammenarbeit. Wenn wir so weitermachen, werden wir es nicht schaffen. Wir müssen neue Formen der Zusammenarbeit finden, sowohl auf Bundesebene als auch vor Ort.“

„Die wahren Probleme in der Prävention werden nicht angegangen“, erklärt Dr. Andreas Molch von der TK.

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