Montgomery für Impfpflicht und Impfapotheker Alexander Müller, 17.09.2021 10:06 Uhr
Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery, Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes (World Medical Association, WMA), spricht sich für eine allgemeine Impfpflicht gegen Covid-19 aus, wenn sich die Impfquote mit anderen Mitteln nicht mehr erhöhen lässt. Beim Health Lab by Burda erklärte der ehemalige Bundesärztekammerpräsident außerdem, dass er persönlich auch nichts dagegen hätte, wenn dann auch Apotheker:innen impfen.
Zum Abschluss des Health Lab in der Münchener Allianz Arena wurde es noch einmal nachdenklich: Montgomery schwor die rund 300 Gäste in einer eindringlichen und gleichzeitig unterhaltsamen Keynote darauf ein, dass die Gesellschaft noch lange mit Corona werde leben müssen. Deswegen müsse der Kampf gegen das Virus ernst genommen werden: „Covid kills“ untermauerte er mit Verweis auf die Sterblichkeit. „Als Arzt kann ich eine Erkrankung nicht hinnehmen, an der 1 Prozent der Menschen sterben.“
Die gute Nachricht sei, dass es gute Maßnahmen dagegen gebe. Die Einhaltung der AHA-Regeln sei auch für Geimpfte weiter notwendig, zumindest so lange nicht geimpfte Personen dabei seien. Montgomery sprach sich für eine umfangreiche Teststrategie aus. Es sei wichtig, die Spreader frühzeitig zu erkennen und konsequent in Quarantäne zu schicken.
Und vor allem „impfen, impfen, impfen“, so der Appell des WMA-Vorsitzenden, „von mir aus auch durch Apotheker, das ist wichtig, das ist richtig“. Das habe er aber als nicht als Standespolitiker gesagt – „sonst kriege ich Ärger“, scherzte Montgomery. Er weiß, dass es unter den ärztlichen Kolleg:innen Vorbehalte gibt. Als BÄK-Präsident hatte er sich noch 2019 selbst kritisch zum Thema Grippeimpfung in der Apotheke geäußert.
Doch jetzt geht Montgomery darum, die Impfquote möglichst schnell zu erhöhen, auch um weitere Mutationen möglichst zu verhindern. Von denen gebe es schon 20.000. In jedem Infizierten werde das Virus eine Milliarde Mal kopiert. „Da lässt der liebe Gott schon mal eine Masche fallen“, so Montgomery. „Was wäre, wenn eine Mutation die Ansteckungsfähigkeit von ‚Delta‘ und die Letalität von Ebola hätte?“, fragte Montgomery. Er warb dafür, sich auch mit den Impfkritikern auseinanderzusetzen und diese zu überzeugen. „Wir müssen die Querdenker dazu kriegen, dass sie zu Nachdenkern werden.“
Sollte all das nicht reichen, um eine Herdenimmunität herzustellen, wäre Montgomery auch für härtere Maßnahmen: „Ich bin Verfechter einer Impfpflicht.“ Das gelte besonders für Berufe mit Verantwortung für andere Personen wie zum Beispiel Ärzt:innen: „Wir dürfen doch nicht ein Risiko für uns Schutzbefohlene sein!“ Er sei sogar für eine generelle Impfpflicht, wenn die Menschen mit anderen Mitteln nicht zu überzeugen seien. Er räumte ein, dass es auch bei Impfungen ernste Zwischenfälle geben könne. Diese stünden aber in keinem Verhältnis zur Anzahl derjenigen, die ohne Impfung an Corona sterben. Denn die Dunkelziffer sei nicht so hoch wie ursprünglich angenommen. Er rechnete vor, dass die Corona-Sterblichkeit bei 2 Prozent aller nachgewiesenen Fälle liege – und bei 1 Prozent einschließlich der nicht diagnostizierten Infektionen. 6000 Impftoten in den USA stünden also 1,5 Millionen Menschen gegenüber, die durch die Impfung gerettet wurden.
Insgesamt ist Montgomery aber froh, dass er nach der Bundestagswahl nicht als Funktionär an der gesundheitspolitischen Debatte teilnehmen muss. Denn er erwartet angesichts des großen Finanzlochs ein „Hauen und Stechen, um die gesetzlichen Krankenversicherung wieder auf die Beine zu kriegen“.
Aus der berufspolitischen Distanz hatte Montgomery auf die Frage, was er von Jens Spahn halte, sogar lobende Worte für den Bundesgesundheitsminister übrig. „Ich schätze ihn ausgesprochen“, so Montgomery. Vor allem in der ersten Phase der Pandemie habe Spahn genau das Richtige gemacht und beispielsweise die Zahl der Intensivbetten in den Krankenhäusern sehr früh hochgefahren.
Auch zu einer Aufhebung des Patentschutzes der Corona-Impfstoffe wurde Montgomery gefragt. Besser als eine Patentfreigabe fände der Weltärztechef aber, die Gewinne der Pharmaindustrie zu begrenzen, damit der Impfstoff der ganzen Welt zur Verfügung steht.