Während die Ärzte Nordrheins den Stopp der Grippeimpfungen durch Apotheker fordern, feiern der Apothekerverband (AVNR) und die AOK Rheinland/Hamburg das Projekt als Erfolg: Aktuell seien bereits 250 Apothekerinnen und Apotheker aus insgesamt 125 Apotheken ärztlich geschult worden, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Die Fortbildungen würden durch erfahrene Impfärzte und auf der Grundlage gesetzlich abgestimmter Regelungen mit dem RKI (Robert-Koch-Institut) und PEI (Paul-Ehrlich-Institut) durchgeführt.
Derzeit können 85 Apotheken mit dieser amtlichen Legitimation und diesem fachlichen Schulungshintergrund in den Modellregionen Düsseldorf/Umgebung, Duisburg/rechter Niederrhein, Essen/Mülheim/Oberhausen und Bonn-Rhein-Sieg-Kreis Grippeschutzimpfungen ergänzend zur Impfleistung der Ärzte anbieten. Bis jetzt wurden laut Mitteilung rund 200 Grippeschutzimpfungen in 25 Apotheken durchgeführt. „Wir können jetzt bereits von einem Erfolg des Modellprojektes sprechen. Obwohl wir einschränkend feststellen müssen, dass sowohl Arztpraxen als auch Apotheken von Engpässen an Grippeimpfstoffen betroffen waren und weiterhin sind“, so Thomas Preis, Vorsitzender des AVNR.
„Das Modellprojekt Impfen in Apotheken beschäftigt uns Apotheker aber zurzeit nicht so sehr wie die Versorgung der Arztpraxen mit Grippeimpfstoffen“, so Preis. Nach Berechnungen des AVNR dürften die Arztpraxen in NRW bis jetzt schon gut vier Millionen Grippeimpfstoffe erhalten haben. In den nächsten Wochen kämen dazu weitere 1,2 Millionen aus der Nationalen Impfreserve des Bundesgesundheitsministeriums. Insgesamt stünden somit im Vergleich zum Vorjahr 30 Prozent mehr Impfstoffe zur Verfügung.
Die Apotheken hätten sich in diesen Zeiten auch unter erschwerten Bedingungen auf ihre herausfordernden Aufgaben in der Impfstoffversorgung fokussiert und vorrangig die Hausarztpraxen beliefert, so der AVNR. „Alle Arztpraxen, die rechtzeitig und ausreichend Impfstoffe bestellt hätten, sind entsprechend diesen Vorbestellungen auch schon beliefert worden. Wir mussten in den wenigen Wochen, seitdem die Impfstoffe verfügbar sind, schon so viel Impfstoffe ordern und an die Praxen ausliefern, wie sonst in einer ganzen Impfsaison, die von September bis in den März geht.“ Viele Arztpraxen hätten darüber hinaus auch schon Nachbestellungen erhalten und würden ab Mitte November weitere Impfstoffe aus der Nationalen Impfstoffreserve über die Apotheken erhalten. Die Versorgung mit Grippeimpfstoffen erfordere einen hohen Organisations- und Logistikaufwand.
In der Öffentlichkeit kaum bekannt sei, dass die Apotheken vor Ort verschiedenste Nachfragen zu bedienen hätten, hier aber klare Versorgungsprioritäten setzten:
Allein der Sprechstundenbedarf der Arztpraxen macht laut AVNR etwa 90 Prozent aller Impfstoffe aus. „Für die letzten drei Punkte in der Aufzählung oben geht der Apotheker persönlich ins wirtschaftliche Risiko. Denn dort gibt es keine Abnahmegarantie. Trotzdem haben die Apotheken in diesem Jahr insgesamt viel mehr Impfstoffe dafür auf eigene Rechnung bestellt. Dadurch haben sie für gut zehn Prozent der verordneten Impfstoffe für Versorgungssicherheit gesorgt“, so Preis weiter.
Die Apotheken stellen laut AVNR zurzeit fest, dass Arztpraxen sogar schon auf Apotheken verweisen und Patienten es sehr begrüßen, neben den Arztpraxen schnell, unkompliziert und qualitätsgesichert in Apotheken, die oftmals nahezu ganztägig an sechs Tagen in der Woche erreichbar sind, geimpft werden zu können. „Die sehr positive Resonanz auf unser Modellprojekt und der erfolgreiche Start lassen den Schluss zu, dass wir in dieser Grippesaison vielleicht sogar auf 2000 Grippeschutzimpfungen in Apotheken kommen könnten“, so Preis. „Trotzdem ist das in diesem Jahr nur ein kleiner Beitrag, den die Apotheken bei der wichtigen Grippeschutzimpfung leisten können, vergleicht man diese Zahl mit den gut vier Millionen Impfungen der Ärzteschaft in NRW“ so Preis.
Langfristig könnten sich der AVNR vorstellen, dass Apotheker künftig durch verstärktes Impfen die schon jetzt coronabedingt überlasteten Hausarztpraxen mit dem zusätzlichen Impfangebot entlasteten, so wie es viele andere europäische Länder bereits vorgemacht hätten. Ein weiteres Angebot solle die Durchführung von Corona-Schnelltests in den Apotheken sein. In Österreich und in der Schweiz ist dies schon möglich.
Ganz anders bewerten die Ärzte in Nordrhein das Grippe-Impfprojekt der Apotheker. Nach Ansicht der Ärztekammer Nordrhein muss der laufende Modellversuch „sofort ausgesetzt werden“. Bei der Kammerversammlung der Ärzte sagte Präsident, Rudolf Henke, laut Pressemitteilung: „Nur Ärztinnen und Ärzte sind qualifiziert für die Impfanamnese, den Ausschluss akuter Erkrankungen und die Aufklärung zur Impfung." Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und des derzeit knappen Impfstoffs seien die Modellversuche „besonders widersinnig“. Es bestünde bei „unzureichender Belieferung der Praxen durch Apotheken die Gefahr, dass für die vorrangig zu Impfenden in Arztpraxen Impfdosen fehlen, die für Modellversuchsimpfungen verbraucht wurden“, hieß es.
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