Mit Retax doppelt sparen Alexander Müller, 03.06.2008 17:13 Uhr
Die Krankenkassen haben Streitigkeiten um ihre Rabattverträge gründlich satt. Vom Gesetzgeber und der Justiz alleine gelassen, von der Industrie gegeißelt und von den Patienten beschimpft - die Versicherer leiden vielleicht selbst am meisten unter ihrer neuen Macht. Und es kommt noch schlimmer. Allmählich dringt an die Oberfläche, was die Kassen lange zu verstecken suchten: Von den erwünschten Einsparungen sind die Rabattverträge meilenweit entfernt. Passenderweise zieht der Gesetzgeber jetzt den Vorhang und lässt die betretenen Kassen im Rampenlicht erklären, dass aller Ärger womöglich umsonst war. Darüber kann sich niemand freuen.
Doch die Kassen sehen einen Ausweg, um Ulla Schmidt doch noch eine erquickliche Schlussrechnung vorzulegen: Das Geld bei denen einzutreiben, die bei der Umsetzung der Verträge nicht gespurt haben. „Retaxation“ heißt das Zauberwort. Jetzt sollen Apotheker für ein Konzept den Kopf hinhalten, das nie bis zum Ende durchgedacht wurde. Die Kassen jubeln „Null-Retaxtation“ - und sparen 100 Prozent, weil der Apotheker nicht die Differenz, sondern den vollen Betrag von der Abrechnung gestrichen bekommt. Mit dieser Methode können die Versicherer - zusätzlich zum Herstellerrabatt - eine Menge Geld sparen. Aber das hören sie nicht gern. Schließlich seien die Rabattverträge in Kraft und die Apotheker müssten sich daran halten.
Neben dem Aufwand bei der Umsetzung der Verträge müssen sich Apotheker zunehmend mit Krankenkassen oder angeheuerten Rezeptprüfstellen herumschlagen. Da hilft es wenig, wenn sich einige „Abrechnungsfehler“ als Softwareprobleme entpuppen und diese Retaxationen erlassen werden. Das zeigt nur, wie unausgereift die ganze Methodik ist. Das Gesundheitsministerium und die Kassen täten gut daran, enttäuschte Erwartungen nicht an den Apotheken auszulassen, sondern die Schwachstellen mit der Zeit zu beheben. Das wäre auch gegenüber den Versicherten gerechter.