Wenn Heilberufler gegen ihre Pflichten verstoßen, droht ihnen ein Berufsverbot. Ärzten und Apothekern kann die Approbation entzogen werden, Krankenschwestern die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung. Wenn eine Gefährdung der Patienten wahrscheinlich ist, genügt schon die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, hat jetzt das Verwaltungsgericht Oldenburg (VG) entschieden.
Mit dem Widerruf der Approbation beziehungsweise der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung muss die Aufsichtsbehörde nicht warten, bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Das hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bereits 2002 im Falle eines Apothekers entschieden, der die AOK in großem Stil betrogen hatte, sich später aber mit der Kasse auf einen Vergleich einigen konnte. Schon ein rechtskräftiger Strafbefehl – also eine gerichtliche Entscheidung im summarischen Verfahren – genüge, um die Verfehlungen berufsrechtlich zu ahnden.
Jetzt hat das VG in einem aktuellen Fall entschieden, dass sich noch nicht einmal ein Gericht mit der Sache auseinandergesetzt haben muss. Schon aus der Erhebung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft könne im Einzelfall der Schluss auf die Unzuverlässigkeit gezogen werden, die einen Widerruf der Berufserlaubnis rechtfertige.
Im konkreten Fall ging es um eine Krankenschwester, die bei einer körperlich und geistig schwerstbehinderten Patientin Nachtwache halten musste. Mindestens elf Mal verabreichte sie der Patientin Lorazepam-ratiopharm, das ihr weder verschrieben worden war noch einen therapeutischen Nutzen hatte. Stattdessen führte die Verabreichung zu längerer Bewusstlosigkeit. Später kam es auch zu Apathie und Schwäche; in der Folge musste die Patientin ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Wegen Unzuverlässigkeit entzog die Behörde der Krankenschwester die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung mit sofortiger Wirkung. Zur Begründung wurde auf die Anklageschrift verwiesen – laut Gericht zu recht: Aus den Ermittlungsakten, die in Auszügen in den Verwaltungsvorgängen enthalten seien, sei „nicht ersichtlich, dass gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Annahmen der Anklageschrift sprechen“.
Die Richter räumen ein, dass der sofortige Widerruf ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte sei. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten sei er daher nur gerechtfertigt, wenn er nach den Umständen des Einzelfalls als „Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter“ erforderlich und verhältnismäßig sei.
Im konkreten Fall sahen die Richter eine Gefahr für das Allgemeinwohl für den Zeitraum bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über den Widerruf: „Es besteht auch zur Überzeugung der Kammer jederzeit die konkrete Gefahr einer schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigung Dritter.“
Die Krankenschwester habe sich eines Verhaltens schuldig gemacht, das unmittelbar die Gesundheit von Einzelnen gefährde, und Kernpflichten ihrer Berufsausübung tiefgreifend verletzt.
„Es stellt einen äußerst gravierenden Bruch des Vertrauensverhältnisses, das einer Pflegeleistung notwendig zugrunde liegt, dar, wenn die Nähe in der Situation der Pflege und die relative Hilflosigkeit eines Pfleglings ausgenutzt werden, um statt der Erbringung der geschuldeten Pflegeleistung, die hier im Beruhigen der ängstlichen und ansonsten weitgehend hilflosen R. durch körperliche Nähe und nächtliche Zuwendung im Doppelbett bestand, sich durch Gabe eines – psychoaktiv wirkenden – Stoffes beziehungsweise Medikaments ohne ärztliche Befundung, Beratung und Verordnung zwecks Ruhigstellung der R. anderweitig beschäftigen zu können und sich der geschilderten Pflicht zu entziehen.“
Dieser Sachverhalt rechtfertige die Prognose, die Krankenschwester werde auch in Zukunft ihre Berufspflichten schwerwiegend verletzen. Dies gelte umso mehr, als diese Pflichtverletzung in der klassischen Pflegesituation aufgetreten sei, die auch in Zukunft so immer wieder auftreten würde.
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