Gesetz gegen Lieferengpässe

„Mit Augenmaß“: Lauterbach streicht Krebsmedikamente

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Berlin -

Man habe es mit der Ökonomisierung übertrieben, trägt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seit Dezember gebetsmühlenartig vor. Mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) will er die Probleme angehen. Warum hat er dann aber ausgerechnet Krebsmedikamente wieder gestrichen?

Als kurz vor Weihnachten die Lieferengpässe immer dramatischere Ausmaße annahmen, kündigte Lauterbach ein beherztes Vorgehen an. „Wir haben es mit der Ökonomisierung auch in der Arzneimittelversorgung mit patentfreien Medikamenten übertrieben“, so seine Analyse damals. Dass dringend benötigte Medikamente nicht lieferbar seien, sei inakzeptabel. Der Preis habe allzu lange die alleinige Rolle gespielt, die Verfügbarkeit von Arzneimitteln eine zu geringe Rolle. „Das wollen wir aufheben.“

„Wir werden sicherstellen, dass bei Rabattverträgen und Medikamenten, die derzeit in den Apotheken fehlen, die Engpässe überwunden werden“, so Lauterbach. Das betreffe nicht nur Kinderarzneimittel, sondern auch Antibiotika und Krebsmedikamente. „Es muss uns gelingen, die Engpässe zu überwinden.“

EU-Klausel für zwei Gruppen

Nach ersten Maßnahmen, die eher kosmetischer Natur waren, legte Lauterbach im Februar seinen Referententwurf vor. Vorgesehen war darin unter anderem, dass die Kassen bei Rabattverträgen über „Arzneimittel zur Behandlung onkologischer Erkrankungen“ sowie bei Antibiotika mindestens die Hälfte der Fachlose an Hersteller vergeben werden müssen, die „den Wirkstoff oder die Bulkware für diese Arzneimittel ganz oder teilweise in der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Europäischen
Wirtschaftsraums herstellen“.

Zur Begründung hieß es, dass diese beiden Gruppen in der Vergangenheit besonders häufig von Lieferengpässen betroffen waren:

„Es handelt sich hierbei um Arzneimittel, deren uneingeschränkte Verfügbarkeit für die gesetzlich Versicherten existenziell ist, weil es sich um lebensbedrohliche Erkrankungen ohne Therapiealternativen handeln kann. Die uneingeschränkte Verfügbarkeit dient der Grundversorgung der gesetzlich Versicherten.“

Mit der Neuregelung werde die medizinische Versorgung nachhaltig verbessert und sichergestellt. Die Hersteller zu einer versorgungsnahen Bevorratung der Arzneimittel zu verpflichten, stelle „kein gleich geeignetes, milderes Mittel zur nachhaltigen Diversifizierung der Lieferketten und zur bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten mit diesen Arzneimitteln“ dar.

Krebsmedikamente gestrichen

Abermals mit Verspätung wurde eine überarbeitete Version Ende März im Kabinett verabschiedet. Doch plötzlich waren die Krebsmedikamente verschwunden; die Vorgabe galt nur noch für Antibiotika. Ironischerweise war der Gesetzestext ansonsten unverändert, bis hin zur Begründung:

„Bei Antibiotika handelt sich um Arzneimittel, deren uneingeschränkte Verfügbarkeit für die gesetzlich Versicherten existenziell ist, weil es sich um lebensbedrohliche Erkrankungen ohne Therapiealternativen handeln kann. Die uneingeschränkte Verfügbarkeit dieser Arzneimittel dient der Grundversorgung der gesetzlich Versicherten.“

Was war passiert? Warum waren ausgerechnet Krebsmedikamente plötzlich verschwunden, wo doch das „Tamoxifen-Trauma“ des vergangenen Jahres, wie Hexal-Vorstand Wolfgang Späth es beim bayerischen Pharmagipfel nannte, allen Verantwortlichen noch in den Knochen stecken sollte?

Vortasten mit einer Gruppe

Dazu wussten die geladenenen Abgeordneten bei einer Diskussionrunde von Pro Generika in der vergangenen Woche keine Antwort. Beim Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbands (DAV) konnte Paula Piechotta (Grüne) nun doch noch eine Erklärung liefern, die sie angeblich sogar überzeugt hat: Lauterbach wolle sich erst einmal mit einer Wirkstoffklasse vortasten und Erfahrungen sammeln.

Und tatsächlich hatte Lauterbach zum Kabinettsentschluss erklärt, man korrigiere das System „mit Augenmaß“. Ohne Einschränkungen fügte er allerdings hinzu: „Wir machen Deutschland wieder attraktiver als Absatzmarkt für generische Arzneimittel. Wir stärken europäische Produktionsstandorte. Und wir verbessern die Reaktionsmechanismen. Lieferengpässe wie im jüngsten Winter wollen wir damit vermeiden.“

Zwar soll der Beirat weitere Arzneimittel mit „versorgungskritischen Wirkstoffen“ als „vesorgungsessentiell“ einstufen können, sodass für diese dann ebenfalls entsprechende Vorgaben bei den Ausschreibungen gelten. Aber das wird noch dauern: Laut Entwurf ist eine Evaluierung der im ALBVV enthaltenen Maßnahmen bis zum 31. Dezember 2025 und für den Bereich der Regelungen zu den Rabattverträgen bis zum 31. Dezember 2028 vorgesehen.

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