Die Vergütung für Bürgertests zu kürzen, wie derzeit von der Politik diskutiert, bedeutet ein Risiko für das flächendeckende Teststellennetz in Westfalen-Lippe. Darauf weist Dr. Klaus Michels, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL) hin.
Die Apotheken vor Ort seien gerade im ländlichen Raum ein wesentlicher Pfeiler der Teststrategie. Der Verband fürchtet, dass gerade diese Apotheken ihre Angebote für Bürgertests einstellen. Wenn die Vergütung gekürzt werde, stehe diese in keinem Verhältnis zu Aufwand und hohem Stresslevel in den Teststellen.
Wenn einzelne Teststellenbetreiber tatsächlich ein Vielfaches der Tests abgerechnet haben sollten, die durchgeführt worden sind, sei dies schlicht Betrug, so Michels. Dies müsse geahndet werden. Zur Strafe aber die Vergütung für die rechtschaffenen Teststellenbetreiber und die Apotheken vor Ort zu kürzen, sei die verkehrte Konsequenz aus den bekannt gewordenen Fällen. „Hier werden die redlichen Teststellenbetreiber für Vergehen einzelner schwarzer Schafe bestraft, die nur durch die Versäumnisse von Politik und Verwaltung bei den Kontrollen möglich geworden sind.“
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte am Dienstag auf Nachfrage erklärt, dass er bereits vor Bekanntwerden der Vorwürfe entschieden habe, dass die Vergütung gekürzt werden soll. Er habe immer gesagt, dass man nach dem erfolgreichen Aufbau der Infrastruktur schauen werde, wie sich die Marktlage entwickelt habe. Einerseits seien die Preise für die Beschaffung der Materialien gesunken, andererseits sinken laut Spahn bei vielen durchgeführten Tests auch die Stückkosten für die Durchführung.
Die Neuregelung solle nun innerhalb von wenigen Tagen passieren. Nachdem er bereits am Sonntag für die Durchführung einen Betrag von unter 10 Euro ins Spiel gebracht hatte, soll nun auch der Preis für die Beschaffung auf 3 bis 4 Euro sinken. Außerdem signalisierte er, dass für Selbsttests unter Aufsicht künftig noch weniger abgerechnet werden kann. „Hier ist eine deutlich niedrigere Vergütung anzusetzen, denn hier braucht man noch nicht einmal Schutzkleidung“, so Spahn.
Zusätzlich sollen Auflagen für die Teststellen vorgesehen werden. So sollen die Ergebnisse verpflichtend an die Warnapp übertragen werden. Außerdem will der mit den Gesundheitsministern der Länder erörtern, inwiefern für Zulassung und Abrechnung neue Vorgaben gelten sollen.
Dazu gehört auch die Kontrolle der Abrechnungen: Konkret wies Spahn darauf hin, dass schon jetzt nicht pauschal 6 Euro für die Beschaffung der Tests abgerechnet werden können, sondern „bis zu 6 Euro“. „Wer 3,50 Euro bezahlt, kann nicht 6 Euro abrechnen. Das ist Betrug.“ Er wies darauf hin, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) einen Verwaltungskostenersatz erhielten, der auch die Plausibilitätsprüfung von Abrechnungen abdecken solle. Ob und wie das bei vertretbarem Aufwand möglich sein, werde man nun besprechen.
Insgesamt verteidigte er das Konzept der Testzentren: Die deutlich mehr als 15.000 Anlaufstellen hätten in den vergangenen Wochen einen wichtigen Beitrag geleistet, um das Dunkelfeld auszuleuchten und die dritte Welle zu brechen. Die Nachfrage seitens der Bürger:innen sei da, er sehe häufig Schlangen vor den Teststellen. „Viele Anbieter machen das gewissenhaft und seriös“, so Spahn mit Verweis auf Ärzt:innen, Apotheken, das DRK oder Feuerwehren, aber auch private Anbieter.
Spahn verteidigte die gesetzlichen Vorgaben. „Selbstkritisch“ müsse er einräumen, dass man in der Pandemie immer die richtige Balance suchen müsse zwischen schneller und pragmatischer Umsetzbarkeit einerseits und bestmöglicher Kontrolle über jeden Einzelfall andererseits. So verwies er auf die Hilfen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: Erst habe es Betrug gegeben, dann habe man Vermeidungsmechanismen eingebaut – was dazu geführt habe, dass die Novemberhilfen erst im Februar ausgezahlt worden seien.
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