Michels protestiert bei SPD-Chef Lothar Klein, 14.11.2017 08:32 Uhr
Eine Informationsveranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zur medizinischen Versorgung auf dem Land sorgt im Hochsauerland für erheblichen politischen Ärger: Weil die FES zur Podiumsdiskussion statt regionaler Apotheker DocMorris-Vorstand Max Müller eingeladen hat, rief bereits die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) ihre Mitglieder zur regen Teilnahme auf. Jetzt schrieb Klaus Michels, Vorsitzender des Apothekerverbandes (AVWL), einen geharnischten Brief an Michael Groschek, den Landesvorsitzenden der SPD, und zeigte sich „empört“.
Auf das Podium geladen sei mit DocMorris der Vertreter eines „ausländischen Kapitalunternehmens für Arzneimittelversand“, empörte sich Michels. Aber die Apotheken erhielten „die örtliche Versorgung und Beratung in der Fläche und zu Nacht- und Notdienstzeiten seit Jahrzehnten zuverlässig“ aufrecht und täten alles dafür, „diesen Dienst an der Bevölkerung auch künftig zu garantieren anstatt nur die Rosinen aus dem Gesundheitsmarkt zu picken“.
Michels: „Uns Apotheker hat dieses Vorgehen der Stiftung Ihrer Partei empört.“ Deren Verhalten missachte den gesetzlichen Versorgungsauftrag der öffentlichen Apotheken und den großen persönlichen Einsatz der Beschäftigten in den Apotheken ebenso wie deren hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Es sei unangemessen, einen mittelständischen, orts- und bürgernahen Gesundheitsakteur wie die Apotheke in der Nachbarschaft vom politischen Podium in der Debatte über die Zukunft der Gesundheits- und Arzneimittelversorgung auf dem Land auszuschließen. Stattdessen hole sich die SPD-Stiftung ausgerechnet eine von Kapitalinteressen geleitete Konzernlobby aufs Podium, „die diese Versorgungsstrukturen zu zerstören droht und damit die Apotheke als ein Stück Heimat für viele“.
Dies gelte umso mehr, als gerade die NRW-SPD den Versorgungsauftrag der Apotheken nie in Frage gestellt, sondern ihn stets bekräftigt und politisch gestützt habe. Die von der SPD-geführte frühere Landesregierung habe sich „nach dem verhängnisvollen Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Oktober 2016“ in einer Bundesratsinitiative für ein Rx-Versandhandelsverbot eingesetzt, „um dem marktradikalen Treiben solcher Firmen ein Ende zu setzen, denen Ihre Partei jetzt ein exklusives Podium bietet“. Auf einer politischen Veranstaltung der westfälisch-lippischen Apothekerschaft am 27. März 2017 in Münster habe der SPD-Vertreter erneut betont, dagegen müsse etwas unternommen werden.
Die westfälisch-lippische Apothekerschaft habe bei all ihren Veranstaltungen vor Wahlen oder beim Wahlcheck zur Bundestagswahl selbstverständlich stets SPD-Politiker eingeladen. Michels: „Wir wären niemals auf die Idee gekommen, die SPD als politischen Partner auszuschließen. Wir empfinden es als besonders bitter, dass dies nun umgekehrt uns gegenüber in einer für die Apotheken, ihre Beschäftigten und die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zentralen Frage geschieht.“ Angesichts von Akzeptanz und Bedeutung der öffentlichen Apotheken in der Bevölkerung fehle dem AVWL „für dieses Vorgehen aus Ihrer Partei jedes Verständnis“.
Ob dies Wirkung zeigt, bleibt abzuwarten. Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC hat der Termin auch innerhalb der SPD für Diskussion gesorgt. Dabei geht es um die Verantwortung für den Termin und die Einladung der Gäste. Nicht bekannt ist bis jetzt, warum die Stiftung auf die Einladung eines Apothekers aus der Region verzichtet hat. Der Organisator war nicht zu sprechen. Noch liegt keine Antwort vor.
Neben DocMorris sind zur Veranstaltung am Mittwochabend in Bestwig Kassenärzte und Kliniken geladen. Moderiert wird die Diskussion vom SPD-Bundestagsabgeordneten Dirk Wiese. Wiese müsste eigentlich die besonderen Empfindlichkeiten der Apotheker bei diesem Thema kennen: Bis vor Kurzem arbeitete der SPD-Politiker aus dem Hochsauerlandkreis als parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi). NIcht auszuschließen ist daher, dass Wiese sogar bereits Einzelheiten aus dem Honorargutachten kennt.
Die AKWL hatte letzte Woche bereits in einem Rund-Fax ihre Mitglieder aufgerufen, „zahlreich“ an der FES-Veranstaltung teilzunehmen. Der Ärger der Kammer, keinen Vertreter auf dem Podium stellen zu können, las sich unmissverständlich aus dem Rundfax heraus: „Als Gesprächspartner für den Themenkreis Arzneimittel wird nicht ein Apotheker auf dem Podium vertreten sein, sondern Max Müller, Chefstratege von DocMorris“, heißt es dort und weiter: „Wir möchten das nicht weiter kommentieren...“
Aufgrund dieser Ausgangslage wäre es schön, wenn dort „zahlreiche Apotheker/-innen vertreten wären“, trommelte die Kammer für rege Beteiligung. Und lieferte die Begründung gleich mit: „Um das Expertenwissen in die Diskussion einzubringen, das ein Vertreter der niederländischen Versandapotheke höchstwahrscheinlich nicht besteuern wird können.“ Auch ein Vertreter der Kammer werde vor Ort sein. Man wolle DocMorris das Feld nicht alleine überlassen.
Neben Müller nimmt Frederik Ley von der DB Regio Bus aus NRW teil. Die Bahn-Tochter hat den mobilen Ärztebus entwickelt, der bereits in Hessen herumfährt. Auch ein Apothekenbus war dort einmal im Gespräch. Ferner ist ein Vertreter des Klinikums Arnsberg eingeladen, dazu Hans-Heiner Decker von den Kassenärzten sowie Brilons Bürgermeister Christof Bartsch (SPD).
In der Einladung heißt es, die ausreichende gesundheitliche und medizinische Versorgung der Bevölkerung sei eine „unverzichtbare Voraussetzung für eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Deutschland“. Die Situation sei aber in den vergangenen Jahren deutlich schwieriger geworden. Vor allem in den ländlichen Regionen in NRW verstärke sich der Trend einer ambulanten ärztlichen Unterversorgung. Die Ärzteschaft werde älter und für den medizinischen Nachwuchs werde der ländliche Raum zunehmend unattraktiv.
Gleichzeitig steige aufgrund des demografischen Wandels die Nachfrage nach medizinischer Versorgung. „Um eine ausreichende Gesundheitsversorgung in diesen Regionen aufrechtzuerhalten, sind neue Konzepte gefragt.“ Die Apotheker hat die SPD-Stiftung offenbar nicht im Blick.
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Hochsauerlandgespräche" soll Fragen nachgegangen werden wie: „Wie sieht die Zukunft der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum aus? Welche Ansatzpunkte gibt es, um die flächendeckende medizinische Versorgung dauerhaft sicherzustellen und zu verbessern? Wie können Politik und Praxis zusammenarbeiten, um den Wandlungsprozess aktiv zu gestalten und abzufedern?“