In den kommenden Monaten erwartet der Vorstandsvorsitzende des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL), Dr. Klaus Michels, als Folge des 2hm-Gutachtens für das Bundeswirtschaftsministerium eine intensive Diskussion über das Apothekenhonorar. Michels plädierte dafür, das Apothekenhonorar weiterhin an die Abgabe von Arzneimittel zu koppeln. Außerdem rief er bei der AVWL-Mitgliederversammlung dazu auf, neue Entwicklungen im Apothekenmarkt nicht nur zu beobachten, sondern aktiv mitzugestalten.
„Spätestens mit der Veröffentlichung des 2hm-Gutachtens sowie des Gegengutachtens der ABDA wird dieses Thema Fahrt aufnehmen“, sagte Michels und weiter: „In unserem Fokus muss dabei die nachhaltige Sicherung unserer wirtschaftlichen Interessen stehen.“ Das System einer Kombination aus Fixkomponente und dreiprozentigem Aufschlag habe sich seit 2004 bewährt. „Es sollte daher von unserer Seite nur dann in Frage gestellt werden, wenn wir tatsächlich ein zumindest gleich gutes, eher besseres Alternativmodell präsentieren können“, so Michels.
Dabei gibt es für Michels eine Bedingung von elementarer Bedeutung: „Die zu vergütende Leistung muss den Bezug zur Abgabe des Arzneimittels beibehalten.“ Es bedürfe einer zwingenden Verknüpfung zwischen der Abgabe des apothekenpflichtigen Arzneimittels und der zu erbringenden Dienstleistung. Nur so lasse sich sicherstellen, dass die Leistung „in der Apotheke bleibt“.
Ein neues Vergütungsmodell sollte zudem Leistungsanreize setzen. Entscheidendes Kriterium müsse dabei die Qualität sein. Für nicht zielführend hält Michels die Einführung zusätzlicher Pauschalen, „die sozusagen eine Art bedingungsloses Grundeinkommen für Apotheken bedeuten würden“. Eine Entlohnung ohne konkrete Gegenleistung sei nicht nur ungerecht, sondern konserviere ineffiziente Strukturen. Michels: „Zum Erhalt der flächendeckenden Versorgung wird es dagegen nötig sein, über neue Strukturen nachzudenken. Hier sollten wir Apotheker unbedingt aktiv praktikable Lösungen anbieten.“
Die Politik werde neuen Honorarkomponente nur zustimmen, „wenn wir im Gegenzug evidente Vorteile nachweisen können, wie beispielsweise Kostendämpfungseffekte im GKV-System“. Neben finanziellen Erwägungen müssten die Apotheker daher Dienstleistung im Blick behalten, die ihre Stellung im GKV-System festigen könnten. Hier stünden vor allem Leistungen im Fokus, die nur im persönlichen Kontakt mit dem Patienten erbracht werden können wie AMTS.
Als Herausforderungen der kommenden Jahre sieht Michels vor allem die zunehmende Individualisierung und Personalisierung von Medizin und Therapie: „Wir müssen uns für innovative Methoden offen zeigen und uns ihrer bedienen.“ Es sei absehbar, dass sich Medizin und Therapie immer weiter individualisieren und personalisieren lassen würden. Die bereits etablierte, aber noch nicht flächendeckend eingesetzte Versorgungsform der Verblisterung sei nur der ein Anfang. In aller Munde sei derzeit die „stratifizierte Medizin“. Diese führe von der persönlichen Prävention über die patientenindividuelle Gegebenheiten berücksichtigende Diagnose zur maßgeschneiderten Pharmakotherapie und zur fortlaufenden Anpassung dieser Therapie an den Heilungsprozess. Es liege auf der Hand, dass die patientenindividuelle Verblisterung in Kombination mit einem Medikationsplan untrennbar mit dem Anspruch stratifizierter Medizin verbunden sei.
Bald werde es sogar serienreife 3D-Drucker zur Produktion von Medikamenten geben. In Singapur sei Forschern bereits letztes Jahr die Entwicklung einer 3D-Druck-Tablette gelungen, die gleich mehrere benötigte Medikamente in unterschiedlichen Dosierungen und mit der Möglichkeit zur zeitversetzten Abgabe an den Patienten enthalte. Dafür sähen High-Tech-Unternehmen zunächst in erster Linie bei Krankenhäusern und Ärzten ihre Absatzmärkte. Michels: „Vielmehr müssen wir diejenigen sein, die innovative Entwicklungen von Beginn an intensiv beobachten, sodann konstruktiv begleiten und wenn möglich kontrollieren. Wichtig ist dabei vor allen Dingen, schon die ersten Entwicklungsstufen nicht, auch nicht teilweise aus der Hand zu geben. Passiert dies, dann geht nicht nur das Knowhow verloren, sondern der Markt wird sich andere Partner für die nächste Entwicklungsstufe suchen.“
Im Rahmen der Hauptversammlung wurde der ehemalige AVWL-Vorsitzende Dr. Horst-Lothar Müller ausgezeichnet. Er erhielt die „Rudolph Brandes Medaille“ und damit die höchste und erstmals vergebene Auszeichnung des Verbandes. Die für außerordentliche Verdienste um den AVWL verliehene Ehrung ist nach dem Apotheker Rudolph Brandes (1795-1842) aus Bad Salzuflen benannt, einem der Väter der Apothekerverbandsorganisation in Deutschland. „Holo Müller ist nicht nur Apotheker mit Leib und Seele, sondern auch seit Jahrzehnten ein engagierter und erfolgreicher Verfechter unserer berufspolitischen Interessen“, sagte Michels.
Müller war 24 Jahre im Vorstand des AVWL, davon zuletzt 13 Jahre bis 2007 als Vorsitzender, hat 13 Gesundheitsreformen und sieben Gesundheitsminister erlebt. Eine für den Apothekenalltag heute selbstverständliche Einrichtung wie die Clearing- und Retaxstelle beim AVWL gehe auf ihn zurück und ersetze mühsame Auseinandersetzungen der Apotheken mit den Kostenträgern, so Michels.
Ausgezeichnet mit dem Ehrenteller des AVWL als Zeichen der Anerkennung für ihre langjährige Verbandstätigkeit wurden die Apotheker Jürgen Doll (Schwerte) und Sabine Köhling (Minden). Doll war über 25 Jahre engagiert im AVWL: 1992 bis zu seinem Ruhestand 2015 als Mitglied des erweiterten Vorstands und als Vorsitzen der der Bezirksgruppe Unna. Köhling sei als Apothekerin nicht nur seit 37 Jahren im Mindener Land bekannt, sondern war auch ein hoch geschätztes Beiratsmitglied des Apothekerverbandes und Vorsitzende der Bezirksgruppe Minden.
Mit keinem Wort in seiner Rede erwähnt hatte Verbandschef Michels dagegen den ausgeschiedenen Geschäftsführer Dr. Sebastian Schwintek, der den Verband im April überraschend verlassen musste. Auf Nachfrage von den Mitgliedern verlas Michels die offizielle Sprachregelung, bat aber ansonsten um Verständnis, dass er sich aufgrund der mit Schwintek geschlossenen Vereinbarung nicht im Detail äußern könne.
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