Sterbehilfe

Merkel: Kein Geschäft mit dem Tod dpa/APOTHEKE ADHOC, 19.06.2015 18:55 Uhr aktualisiert am 20.06.2015 08:53 Uhr

Berlin - 

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich gegen jegliche gewerbsmäßige und organisierte Sterbehilfe ausgesprochen. „Es darf mit dem Tod und dem Sterben kein Geschäft gemacht werden“, sagte sie bei einer Veranstaltung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK). Es ist das erste Mal, dass sich die Kanzlerin so klar und ausführlich zu dem Thema äußerte.

Nach derzeitigem Erkenntnisstand werde sie den Gesetzentwurf um den CDU-Abgeordneten Michael Brand unterstützen. Dieser wolle die geschäftsmäßige Sterbehilfe solcher Vereine oder Einzelpersonen verbieten. Sterbehilfe sei grundsätzlich eine schwierige Frage, die man als gesunder Mensch gar nicht ganz ermessen könne.

Die Bundesregierung müsse zwar eine gesetzliche Regelung herbeiführen. Die könne aber bei dieser sehr persönlichen Situation „nicht alles bis ins Allerletzte regeln“. Man müsse vorsichtig sein, definieren zu wollen, „wann etwas nicht mehr menschenwürdiges Leben“ sei.

Zugleich sei der „Ausbau einer Palliativ- und Hospizversorgung ein unbedingtes Muss“, sagte Merkel weiter. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf den Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zur besseren und flächendeckenden Versorgung sterbender Menschen – zu Hause, in Heimen oder im Krankenhaus.

Gröhe machte bei der EAK-Veranstaltung deutlich, dass er es für richtig hält, dass Selbsttötung und Beihilfe straffrei bleiben. „Es gibt Lebensdramen, da bejahe ich es sehr, dass sich ein Staat zurücknimmt.“ Daher lehne er den Gesetzentwurf um die beiden CDU-Abgeordneten Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger ab, die „Anstiftung und Beihilfe an einer Selbsttötung“ unter Strafe stellen wollen.

Der Gesetzentwurf einer Abgeordnetengruppe um Brand findet als einziger Unterstützung in allen Fraktionen des Bundestages. Der Gruppe gehören neben Brand auch Kerstin Griese (SPD), Kathrin Vogler (Die Linke) und Elisabeth Scharfenberg (Bündnis 90/Die Grünen) an. Der Entwurf zielt gegen „Vereine oder einschlägig bekannte Einzelpersonen“. Suizidbeihilfe, „die im Einzelfall in einer schwierigen Konfliktsituation gewährt wird“, solle ausdrücklich nicht kriminalisiert werden. Neben Gröhe hat dem Vernehmen nach auch CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder den Entwurf bereits unterzeichnet.

Ein weiterer Entwurf kam von einer Abgeordnetengruppe um Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU), darunter SPD-Fraktionsvize Carola Reimann und Gesundheitspolitiker Professor Dr. Karl Lauterbach. Sie wollen Ärzten erlauben, sterbenskranken und extrem leidenden Patienten beim Suizid zu helfen. Die Abgeordneten wollen laut eigener Aussage für Ärzte und Patienten Rechtssicherheit schaffen. Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery, stellte sich jedoch gegen den Vorschlag: „Man soll nicht durch den Arzt sterben, sondern an der Hand des Arztes in den Tod begleitet werden“, sagte der Mediziner.

Reimann sagte, sollte der Entwurf ihrer Gruppe Gesetz werden, würde den Sterbehilfevereinen die geschäftliche Grundlage entzogen und niemand müsste mehr ins Ausland fahren, um Hilfe beim Sterben zu bekommen. Hintze wies darauf hin, dass Hilfe zum Suizid in Deutschland ohnehin schon seit 150 Jahren straffrei sei. Allerdings werde das ärztliche Standesrecht in diesem Punkt in den regionalen Ärztekammern unterschiedlich gehandhabt. In Bayern etwa ist der ärztlich assistierte Suizid erlaubt, in Berlin nicht. Laut Lauterbach stellt sich in etwa 500 Fällen im Jahr die Frage des assistierten Suizids.

Eine Gruppe um Renate Künast (Grüne), Petra Sitte (Linke) und Kai Gehring (Grüne) betont die Straffreiheit der Beihilfe zum Suizid. Sie will aber Beihilfe zur Selbsttötung „aus Gründen des eigenen Profits“ bestrafen. Sterbehilfevereine sind ausdrücklich erlaubt, sofern sie keinen Profit erzielen wollen.

Die schärfste strafrechtliche Regelung sieht eine Gruppe um Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger (beide CDU) vor. Sie will mit einem neuen Paragrafen 217 Strafgesetzbuch „Anstiftung und Beihilfe an einer Selbsttötung“ verbieten. Nur in extremen Ausnahmefällen von großem Leid solle dies straffrei bleiben.

Alle vier vorliegenden Gesetzentwürfe wollen erreichen, dass es keine organisierte, gewerbsmäßige Sterbehilfe mehr gibt. Die fraktionsübergreifend erarbeiteten Entwürfe reichen von einer weitgehenden Freigabe – sofern die Hilfe nicht am Profit ausgerichtet ist – über eine ärztlich assistierte Selbsttötung bis hin zu einem weitreichenden Verbot der Sterbehilfe. Im Gegensatz zu den anderen Entwürfen will die Gruppe um Hintze und Lauterbach jedoch eine Erlaubnisvorschrift im Zivilrecht schaffen und kein Verbotsgesetz im Strafrecht.

Ebenfalls einig sind sich die Abgeordneten darin, dass noch vor einer Neuregelung der Sterbehilfe eine bessere Versorgung von Sterbenden in der Palliativ- und Hospizmedizin nötig ist. Ein entsprechendes Gesetz von Gröhe wurde am Mittwoch im Bundestag behandelt.