Am Berliner Landgericht wurden heute drei Rezeptfälscher und ein Komplize zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie haben über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren Rezepte für das Opioid-Analgetikum Tilidin gefälscht, zum Teil um ihre eigene Sucht zu befriedigen, zum Teil um die Tabletten zu verkaufen.
Seit 2014 hatten die Brüder Yasin und Olcay A. sowie ihr Komplize Dennis E. in einem Berliner Copyshop Rezepte gedruckt und die Arztunterschriften auf ihnen gefälscht. Damit haben sie einen Schaden von rund 8000 Euro verursacht, bevor sie aufflogen, weil aufmerksame Apotheker Ungereimtheiten gemeldet hatten. Dass es dazu kommen würde, war nach Aussage des Richters ohnehin von Vornherein klar: „Die Vorgehensweise war nicht gerade gerissen, sie waren eigentlich chancenlos“, kommentierte er an die Angeklagten adressiert.
Im Gegensatz zu anderen Fällen – wie dem der Bande um den Apotheker Klaus H. – ging es den drei Männern jedoch nicht um den reinen Profit, sondern um die Befriedigung ihrer Sucht. „Mein Mandant hat die Rezepte gefälscht, um sich zu besorgen, was sein Körper verlangte“, so der Anwalt von Dennis E. Der 26-Jährige ist nach eigener Aussage bereits seit fünf Jahren opioidabhängig, der Mitangeklagte Yasin A. gar seit 15 Jahren. Nur einen Teil des Tilidins haben sie für einen Euro pro Tablette verkauft.
Entsprechend plädierte der Verteidiger dafür, dass die Taten seines Mandanten als Beschaffungskriminalität gewertet werden. Seine Gefängnisstrafe solle deshalb zugunsten einer Therapie zurückgestellt werden: „Denn wie wir hier alle wissen, wird man im Knast ja auch nicht gerade zu einem besseren Menschen“, so der Jurist. Für Olcay A. scheint das allerdings zu gelten: Seinem Anwalt zufolge hat er es während der U-Haft, in der die drei Hauptangeklagten sitzen, bereits geschafft, von seiner Sucht los zu kommen. Die Arbeit im Gefängnis habe ihm dabei geholfen.
So zeigten sich alle Angeklagten auch reuevoll und beteuerten ihren Wunsch zur Besserung. Er möchte sich für seine Taten entschuldigen und „versuchen, auf den richtigen Weg zu kommen“, sagte Olcay A. abschließend. Vor allem wolle er in Zukunft für seine Frau und das gemeinsame Kind da sein. Vorerst wird er das können: Das Gericht beschloss, dass alle drei aus der U-Haft freikommen, bis eine eventuelle Revision abgeschlossen ist. Sie müssen sich fünfmal wöchentlich bei der Polizei melden und einmal im Monat einem Drogentest unterziehen. Das waren jedoch die einzigen guten Nachrichten für die drei.
Denn beim Strafmaß lag das Urteil der Richter deutlich über den Anträgen der Verteidigung. Zu insgesamt drei Jahren und fünf Monaten wurde Yasin A. verurteilt, sein Bruder Olcay muss für zwei Jahre und zehn Monate hinter Gitter, Dennis E. für zwei Jahre und drei Monate. Dabei kamen ihnen neben ihrer Geständigkeit und Reue noch einige Umstände zugute. So betonte das Gericht den relativ geringen Schadenswert von 8000 Euro – eine 100er-Packung Tilidin kostet um die 40 Euro. „Wir haben es hier in der Regel mit bedeutend höheren Summen zu tun“, merkte der Richter an. Zum Vergleich: Die Rezeptfälscherbande um den Apotheker Klaus H. soll einen Schaden von über 2,5 Millionen Euro verursacht haben.
Ebenfalls zugute kam den Angeklagten höchstwahrscheinlich der Personalmangel bei der Berliner Polizei. Denn dass es sich bei den drei Männern im juristischen Sinne um eine Bande gehandelt hat, konnte nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. Die Polizisten hätten das zwar als belegt angesehen, erzählte der Richter, doch genug Beweise, um das vor Gericht zu belegen, konnten sie dafür nicht sammeln. So habe es beispielsweise schlicht an freien Beamten gefehlt, um die Verdächtigen länger zu beschatten. „Das ist weder die Schuld des Gerichts, noch die der Polizisten – aber es ist nun mal so“, so der Vorsitzende Richter resigniert.
Mit einem blauen Auge kam währenddessen Kevin-Marlon M. davon. Zwei Tage vor Weihnachten hatte er die 90-seitige Anklageschrift zugestellt bekommen und sie sich schockiert zu Gemüte geführt: Gegen ihn wurden umfassende Anschuldigungen erhoben, Teil der mutmaßlichen Rezeptfälscherbande zu sein. Im Laufe des Verfahrens fielen die meisten Anschuldigungen gegen ihn jedoch in sich zusammen.
Er hatte die drei anderen Angeklagten lediglich im Rahmen einer Kurierfahrt nach Bremen befördert. „Das war eine Riesendummheit“, räumte er vor Gericht ein. Der Urkundenfälschung und des Betrugs machte er sich jedoch nicht schuldig, sodass der im Gegensatz zu seinen drei Mitangeklagten nicht vorbestrafte 30-Jährige lediglich zu einer Geldstrafe von 3200 Euro verurteilt wurde.
Das Prozessende nutze der Richter dann noch, um den Verurteilten ins Gewissen zu reden: „Kommen Sie von dem Zeug los, Sie sind doch noch jung. Mein Rat an Sie: Gehen Sie nicht mehr in die Apotheke! Wer weiß, ob noch irgendwo eines ihrer gefälschten Rezepte rumliegt.“
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