Mehrbesitzverbot: AOK für regionale Lockerung APOTHEKE ADHOC, 19.03.2019 12:28 Uhr
Zur Sicherung der Arzneimittelversorgung auf dem Land will die AOK Baden-Württemberg die Regel für Apotheken lockern. Unter anderen sollen regional Ausnahmen vom Mehrbesitzverbot und der Apothekenbetriebsordnung zulässig sein. Lob gibt es von der AOK für die digitalen Rezeptsammelstellen.
Patienten aus ländlichen Regionen mit geringem Verordnungsvolumen werden laut AOK oft schon heute von den Botendiensten umliegender Apotheken versorgt. Durch den Ausbau neuer Versorgungskonzepte könne Baden-Württemberg auch hier zur Vorreiterregion für Deutschland werden. Digitale Rezeptsammelstellen, die telefonisch oder per Messenger mit einer Apotheke in Kontakt stehen, würden derzeit bereits erprobt. Patienten könnten ihre Rezepte von dort aus unmittelbar nach dem Arztbesuch digital an die ihnen genehme Apotheke übermitteln. Diese versorge die Patienten über Botengänge und hole die Originalrezepte regelmäßig an der Sammelstelle ab. „So wird unkomplizierte und schnelle Versorgung auch auf dem Land besser ermöglicht“, lobt die AOK.
Zudem stehe die Einführung des elektronischen Rezepts nun endlich in den Startlöchern. Die Digitalisierung biete gerade für die Versorgung im ländlichen Raum auch hier große Chancen. Die AOK Baden-Württemberg spricht sich „für eine Lockerung der Apothekenbetriebsordnung und des Mehrbesitzverbotes in Regionen mit niedriger Apothekendichte aus. Damit können weitere sinnvolle Versorgungskonzepte realisiert und eine innovative Versorgung im Interesse der Patientinnen und Patienten auf den Weg gebracht werden“, heißt es in einer Mitteilung.
In einer Erhebung hat die AOK des Landes festgestellt, dass die Apothekendichte in Städten deutlich höher als auf dem Land ist. Die Kasse hat dazu eine Apothekenstatistik nach Landkreisen und kreisfreien Städten erstellt. Das Ergebnis: Die Apothekenverteilung ist ausgesprochen heterogen. In ländlichen Regionen sind Apotheken wesentlich weniger präsent als in Ballungszentren.
Eine Studie des Thünen-Instituts für Ländliche Räume habe bereits im Jahr 2013 gezeigt, dass in der Bundesrepublik insgesamt Apotheken meistens sehr gut zu erreichen sind: Fast 60 Prozent der Menschen konnten demnach innerhalb von 15 Minuten zu Fuß zu einer Apotheke gelangen. Nur 0,16 Prozent der Menschen wohnen weiter als 15 Kilometer von der nächsten Apotheke entfernt. Wer in Deutschland eine Apotheke braucht, wird innerhalb einer durchschnittlichen PKW-Fahrtzeit von vier Minuten an einer vorbeikommen. Während in der Bundesrepublik 24 Apotheken auf je 100.000 Einwohner kommen, sind es in Baden-Württemberg 23. In Europa reicht die Spanne extrem weit von 87 Apotheken je 100.000 Einwohner in Griechenland bis 8 in Dänemark.
Baden-Württemberg weist laut AOK jedoch „markante Unterschiede zwischen städtisch definierten Metropolregionen und großflächig ländlich geprägten Regionen auf. So versorge in der Universitätsstadt Freiburg eine öffentliche Apotheke 548 AOK-Versicherte. Im flächenmäßig mehr als neun Mal größeren Landkreis Biberach kämen dagegen mit 2122 rund viermal so viele AOK-Versicherte auf eine Apotheke: „Die Apothekendichte in ländlicher Umgebung ist viel weiter geknüpft als in den Städten“, so die AOK.
Die erheblichen Stadt-Land-Unterschiede in der Apothekendichte seien auch eine Folge des verbindlichen Preisbildungssystems für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Das Festpreissystem, das auf den Einkaufspreis der Apotheke eine staatlich vorgegebene Packungs- und eine Notdienstpauschale sowie einen prozentualen Aufschlag vorsehe, führe dazu, dass rezeptpflichtige Arzneimittel in jeder Apotheke den gleichen Preis hätten. Umsatzsteigerungen könnten Apotheker somit primär über die Menge der verkauften Arzneimittelpackungen erwirtschaften. Die aber sähen vor allem in der Nachbarschaft einer Arztpraxis ganz anders aus, und so ließen sich Apotheker lieber in der City nieder als in einer Kleinstadt.