Zum Auftakt der Verhandlungen über die Neuauflage der Großen Koalition herrscht auf Seiten der SPD noch große Unruhe. Während die Union aufs Tempo drückt, sträuben sich führende SPD-Politiker gegen den Zeitplan von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die GroKo-Gespräche vor Weiberfastnacht abzuschließen. Unmittelbar vor der für heute geplanten Konstituierung der Facharbeitsgruppen steht deren Zusammensetzung immer noch nicht fest. Vor allem in der SPD gibt es Streit wegen der Dominanz der Länder in den AG.
Ursprünglich geplant war eine Zusammensetzung der Arbeitsgruppen nach dem 6-6-4-System: Jeweils sechs Teilnehmer CDU und SPD und vier von der CSU. Um die Arbeit zu beschleunigen sollen die Gruppen auf 5-5-3 verkleinert werden. Damit erhöht sich die Dominanz der Länder.
Auf SPD-Seite soll neben der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer als Vorsitzende SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach als Co-Vorsitzender der AG Gesundheit agieren. Mit dabei ist auch Edgar Franke, zuletzt Vorsitzender des Gesundheitsausschusses und Kandidat für den Posten des gesundheitspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion. Teilnehmen soll zudem Boris Velter, Staatssekretär für Gesundheit in Berlin und Hamburgs Gesundheits-Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks.
Damit wären bis auf Lauterbach und Franke keine Gesundheitspolitiker der SPD-Fraktion vertreten. Das sorgt dort für erheblichen Ärger. Arzneimittelexpertin Sabine Dittmar und die bisherige Gesundheitspolitische Sprecherin Hilde Mattheis wurden offenbar ausgebootet.
Auf CDU-Seite führt Hermann Gröhe die Verhandlungen der AG Gesundheit. Mit am Tisch sitzen wird der hessische Gesundheitsminister Stefan Grüttner (CDU), der Arzt und Bundestagsabgeordnete Rudolf Henke (CDU) und Karin Maag (CDU) als künftige gesundheitspolitische Sprecherin in der Unionsfraktion. Als fünfter Teilnehmer kommen die Abgeordneten Dietrich Monstadt oder Erwin Rüddel infrage. Nicht berücksichtigt wurde auch Michael Hennrich, zuletzt Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Gesundheitsausschuss. Auf CSU-Seite werden Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml und CSU-Landtagspräsidentin Barbara Stamm verhandeln, dazu Georg Nüßlein als bislang für Gesundheit zuständiger Vize der CDU/CSU-Fraktion.
Die Dominanz der Ländervertreter in der AG Gesundheit erklärt sich aus deren Forderungen: Hinter den Kulissen sollen sich Union- und SPD-Länder bereits einig sein, sechs Milliarden Euro zusätzlich für die Kliniken ohne Vorbedingungen zu erhalten. Außerdem zeichnet sich ab, dass das von der SPD geforderte „Ende der Zwei-Klassen-Medizin“ zunächst auf dem Land eingeläutet werden soll. Weil dort nicht nur Haus-, sondern vor allem Fachärzte fehlen, sollen hier die Arzthonorare für GKV-Patienten aufgestockt werden.
Bundesgesundheitsminister Gröhe (CDU) hat sich unmittelbar vor Beginn der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD zwar vehement gegen eine Verschmelzung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung ausgesprochen. „Milliardenschwere Mehrlasten für gesetzlich Versicherte durch eine Zwangsvereinigung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung oder einheitliche Arzthonorare lehne ich ab“, sagte Gröhe der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Gröhe fügte allerdings hinzu: „Das heißt aber nicht, dass alles so bleiben kann, wie es ist. Wir wollen weitere Verbesserungen für gesetzlich Versicherte, ob es um die Versorgung im ländlichen Raum oder einen schnelleren Zugang zum medizinischen Fortschritt geht. Außerdem wollen wir die Servicestellen zur besseren Vermittlung von Arztterminen stärken. Dazu haben wir der SPD bereits in den Sondierungsgesprächen Vorschläge vorgelegt, über die wir jetzt reden sollten“, sagte Gröhe weiter.
„Da das Modell der Bürgersicherung in den Sondierungsgesprächen nicht durchsetzbar war, werden wir jetzt andere Mittel und Wege suchen, die Zwei-Klassen-Medizin aktiv zu bekämpfen", hatte zuvor bereits Lauterbach erklärt. „90 Prozent der Bürger sind gesetzlich versichert. Wir vertreten bei diesen Verhandlungen also 90 Prozent der Bürger.“ Die SPD müsse in den Verhandlungen bei Gesundheit viel erreichen, „weil wir sonst nicht durch das Mitgliedervotum kommen“, so Lauterbach. Die SPD will nach Ende der Verhandlungen die Parteimitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen lassen.
Durch eine einheitliche Gebührenordnung, die für Ärzte ohne Einkommensverluste gestaltet werden soll, würde die private Krankenversicherung (PKV) nach Berechnungen von Branchenkennern zwischen fünf und sieben Milliarden Euro entlastet - und die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) entsprechend belastet. Dadurch käme es diesen Überlegungen zufolge zu einem Beitragssatzanstieg für gesetzlich Versicherte, der vermutlich bei 0,6 Punkten läge. Die gesetzlich Versicherten bezahlten demnach die Angleichung.
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