Fünf Monate nach der Legalisierung bleibt Cannabis auf Rezept in Sachsen und Thüringen die Ausnahme. Das zeigt eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Die Erwartungen der Patienten an die Wirksamkeit von Cannabis sei wegen der Präsenz des Themas in den Medien zwar sehr hoch, sagte die Sprecherin der AOK Plus in Thüringen, Hannelore Strobel. „Nach der Einschätzung von Fachleuten ist die Wirksamkeit allerdings auf wenige, bestimmte Fallkonstellationen begrenzt.“
Schwerkranke Menschen können in Deutschland seit dem 10. März Cannabis auf Rezept erhalten. Bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes gab es Strobel zufolge viele Anfragen. Die Kassen prüften die Anträge sehr genau. Bei der AOK in Sachsen und Thüringen gingen bis Mitte Juli 405 Anträge ein, von denen jedoch nur 184 genehmigt wurden. Die erstmalige Verordnung muss vom Arzt begründet werden. Die hohe Zahl der Ablehnungen hat laut Strobel verschiedene Ursachen.
Weil das Phänomen recht neu ist, lassen die meisten Krankenkassen die vom Arzt ausgestellten Rezepte von ihrem Medizinischen Dienst (MDK) prüfen. Bewilligt werden nur Fälle, in denen eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Therapie nicht angewendet werden kann. Zudem muss sich das Arzneimittel voraussichtlich positiv auf Symptome oder den Krankheitsverlauf auswirken.
Bei der Barmer in Thüringen seien bis Ende Juli 40 Anträge eingegangen, von denen zwölf genehmigt wurden, sagte ein Sprecher. Bei der Techniker Krankenkasse (TK) werden die Gesuche nicht nach Bundesländern aufgeschlüsselt. Einem Sprecher zufolge gab es in Thüringen schätzungsweise etwas mehr als zwölf Anträge. Bundesweit wurden allein im März 488 Rezepte für 564 cannabishaltige Zubereitungen oder Blüten in Rezepturen verordnet, wie die ABDA mitteilte.
Die Haltung der Ärzte zu Cannabisblüten als Arzneimittel sei sehr verschieden, erklärte Strobel. Einige sähen darin eine echte Alternative und seien gut informiert. „Bei diesen Ärzten sind die Unterlagen dann auch meist umfassend und der Antrag ist gut begründet.“ Andere Mediziner lehnten die Verschreibung von Cannabis grundsätzlich ab, weil sie mit mehr Bürokratie verbunden oder die Wirksamkeit bisher nicht ausreichend nachgewiesen worden sei. Bundesweit würden im Schnitt rund 60 Prozent der Anträge genehmigt, berichtete Strobel.
Die Sächsische Landesärztekammer übte harsche Kritik an der aktuellen Lage. Bisher gebe es keine tragfähigen wissenschaftlichen Ergebnisse zur Therapie mit medizinischen Hanfprodukten. „Jeder Patient, der glaubt, seine Rückenschmerzen mit Cannabis behandeln zu können, kommt jetzt in die Arztpraxis“, sagte Präsident Erik Bodendieck. Bis heute gebe es keine Regelungen zu den Diagnosen, Indikationen und Rahmenbedingungen einer ärztlichen Verordnung.
Bei Cannabisblüten, die in Apotheken verkauft werden, muss die Wirksamkeit mit einem Prüfzertifikat nachgewiesen werden. Importiert wird der Medizinalhanf derzeit fast ausschließlich aus Kanada und den Niederlanden, der Anbau in Deutschland entwickelt sich erst. Die deutsche Produktion wird von der im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelten Cannabisagentur geregelt. Die Behörde beauftragt Unternehmen mit dem Anbau und legt unter anderem den Abgabepreis für Hersteller fest. Nach bisherigem Stand könnten ab 2019 die ersten in Deutschland produzierten Hanfblüten auf den Markt kommen.
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