Die Versorgung schwer kranker Patienten mit medizinischem Cannabis funktioniert offenbar auch vier Monate nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung immer noch nicht richtig. Der stellvertretende Linken-Fraktionsvorsitzende Frank Tempel sagte: „Von Patienten mit Besitzerlaubnis weiß ich, dass die Krankenkassen nicht immer die Kosten für die Medizin erstatten.“ Weiteres Problem seien Lieferengpässe bei den Apotheken.
Das Gesetz „Cannabis als Medizin“ ist am 10. März in Kraft getreten. Ein Ziel ist eine bessere Schmerzlinderung schwer kranker Menschen. Das Gesetz regelt den Einsatz von Cannabisarzneimitteln, wenn andere nicht mehr helfen. Das muss allerdings ein Arzt entscheiden.
Nach einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hat erst gut ein Drittel der rund 1000 angeschriebenen Patienten, zumeist Schmerzpatienten, ihre persönlich erteilte Ausnahmeerlaubnis zur Anwendung von Cannabis, wie vorgesehen, an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zurückgeschickt. „Die geringe Quote an Rücksendungen ist ein Indiz dafür, dass das Gesetz nicht für alle funktioniert, obwohl es gerade für die Patienten mit einer Ausnahmegenehmigung gemacht wurde“, sagte Tempel.
Nach Einschätzung des Deutschen Hanfverbandes stieg die Zahl der Patienten, die Cannabis als Medizin konsumieren, seit Inkrafttreten des Gesetzes Mitte März erheblich. Bis Anfang Juli habe etwa die Techniker Krankenkasse (TK) 522 von 863 Anträgen genehmigt. Bei den AOKen gingen nach Angaben ihres Bundesverbandes bis jetzt um die 3300 Anträge ein, bisher sei die Hälfte genehmigt worden, die Zahl könne aber noch steigen, sagte eine Sprecherin. Über die Zahl der Patienten, die sich seit März ein Cannabis-Rezept auf Selbstzahlerbasis ausstellen ließen, gibt es keine näheren Erkenntnisse, so der Hanfverband.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) weist indessen darauf hin, dass das Gesetz keine klaren Kriterien definiere. Deshalb müssten die Kassen jeden einzelnen Fall bewerten und entscheiden. Denn bei Cannabis müsse nicht – wie bei anderen Medikamenten – vorab anhand von Studien nachgewiesen werden, dass es sicher wirke. Auch fehlten verlässliche Informationen zu Neben- und Wechselwirkungen, erklärte die stellvertretende Sprecherin des GKV-Spitzenverbandes, Ann Marini. „Wir werden also frühestens in einigen Jahren jene Kenntnisse zu Cannabis haben, die andere Medikamente bei der Zulassung vorlegen müssen, damit die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten übernehmen.“
Auch wenn Kassen jeden Einzelfall überprüfen müssen, geht Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) die Versorgung offenbar nicht schnell genug. Er wies Mitte Juli in einem Brief an Tempel und die Linksfraktion darauf hin, dass die Regierung nach Berichten über häufige Ablehnungen von Anträgen vom GKV-Spitzenverband einen Bericht über die Versorgungssituation angefordert habe.
Tempel wies zudem auf Berichte von Patienten hin, die von Lieferengpässen bis hinein in den September ausgingen. Die ABDA räumte gegenüber den „Kieler Nachrichten“ ein: „Es gibt Lieferengpässe bei so gut wie allen Cannabisblüten.“ Grund sei die gestiegene Nachfrage.
Für die medizinische Anwendung ist besonders reines Cannabis notwendig. Dies sei lizenziert derzeit vorwiegend in den Niederlanden und in Kanada zu beziehen. Der Hanfverband beklagt denn auch, die deutschen Patienten bekämen nur die Reste, die dort für die eigenen Programme nicht benötigt würden. Bis deutsche Produzenten in das erhofft lukrative Geschäft einsteigen können, dürfte es noch dauern.
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