Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht die geplante Freigabe von Arzneimitteln auf Cannabisbasis kritisch. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte Mitte Januar einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. In ihrer Stellungnahme erklären die Ärzte, dass sie die Intention des Gesetzgebers zwar nachvollziehen können. Mit Blick auf die Evidenz cannabishaltiger Arzneimittel melden sie allerdings Bedenken an.
Apotheken sollen laut Gesetzentwurf künftig nicht nur Fertigarzneimittel und Rezepturen, sondern auch Cannabisblüten und Cannabisextrakte in pharmazeutischer Qualität abgeben dürfen. Um die Versorgung zu gewährleisten, soll der Anbau von Cannabis in Deutschland erlaubt werden. Die Kassen sollen die Kosten übernehmen. Darüber hinaus plant das Bundesgesundheitsministerium (BMG) eine Begleitforschung.
Die KBV kann zwar nachvollziehen, dass der Gesetzgeber Patienten eine zusätzliche therapeutische Option zur Verfügung stellen möchte. Die Klarstellung, dass der viel diskutierte Eigenanbau von Cannabis durch Patienten aus gesundheits- und ordnungspolitischer Sicht nicht in Betracht komme, begrüßen die Ärzte.
Die Schaffung einer Leistungspflicht für die Kassen sieht man allerdings kritisch – „unter dem Aspekt der Gleichbehandlung mit anderen Arzneimitteln und Leistungen, die zu Lasten der GKV erbracht werden und die definierten Mindestanforderungen entsprechen müssen“.
„Es stellt sich die Frage, warum – im Vergleich zu anderen Wirkstoffen und Leistungen – für Cannabis eine Sonderregelung getroffen werden soll, die hinsichtlich der zu erfüllenden Anforderungen niedriger liegt und ob dies gerechtfertigt ist“, schreibt die KBV. Schließlich werde der Einsatz von Cannabis bei verschiedenen Erkrankungen schon seit Jahren kontrovers diskutiert, auch aufgrund fehlender valider Evidenz.
Auch in der Gesetzesbegründung werde indirekt die fehlende Evidenz angesprochen – schließlich solle die Begleitforschung dazu dienen, die Erforschung der Wirksamkeit voranzubringen und so eine Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Die geplante Begleitforschung halten die Ärzte allerdings für nicht geeignet. Da keine qualitativ hochwertigen Untersuchungen durchgeführt, sondern einzelne Fälle dokumentiert würden, werde nur ein niedriger Evidenzgrad erreicht. Aus Sicht der KBV wäre es sinnvoller, „qualitativ hochwertige Studienvorhaben anzustoßen und zu fördern“.
Darüber hinaus warnt die KBV davor, „dass entsprechende – eigentlich erforderliche und gewünschte – Zulassungen aufgrund der ermöglichten Verordnungsfähigkeit nicht zugelassener Produkte zu Lasten der GKV nicht mehr von den entsprechenden Firmen beantragt werden“. Schließlich sei vorgesehen, dass auch Rezepturen bezahlt werden.
Als Beispiel führt die KBV Dronabinol an: Obwohl es seit 1985 zugelassene Dronabinol-haltige Arzneimittel gebe, etwa in den USA, sei bislang keine Zulassung in Deutschland erteilt worden. Dabei werde Dronabinol in Deutschland hergestellt und als Rezepturarzneimittel zur Verfügung gestellt – unter Umgehung einer Arzneimittelzulassung. Auch Cannabisextrakt könne als Rezeptur eingestuft werden. „Die KBV sieht den Einsatz entsprechender Produkte daher in Bezug auf ihre Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit kritisch“, heißt es in der Stellungnahme.
Schließlich befürchtet die KBV, dass für den verordnenden Arzt haftungsrechtliche Probleme entstehen können. Schließlich dürfe er die Präparate nur verschreiben, wenn dies nach den anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaft zulässig und geboten sei. Da aber nur für zwei Indikationen eine moderarte, ansonsten jedoch nur geringe oder keine Evidenz vorliege, bleibe offen, wie der Arzt eine fundierte Bewertung vornehmen solle.
Bislang ist Cannabis nur in zugelassenen Fertigarzneimitteln verkehrs- und verschreibungsfähig. Sativex (GW/Almirall) ist das einzige in Deutschland zugelassene Arzneimittel mit einem Dronabinol-Derivat. Bionorica tritt mit Kachexol auf der Stelle.
Der Deutsche Apothekertag hatte sich zuletzt für die Aufnahme von ärztlich verordnetem Cannabis sowie Zubereitungen mit chemisch definierten Cannabinoiden in den Leistungskatalog der Krankenkassen ausgesprochen. Es dürfe nicht von der wirtschaftlichen Situation der Patienten abhängen, ob sie Zugang zu einer therapeutisch indizierten Therapie mit Cannabis haben oder nicht.
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