Cannabis-Boom in Apotheken Lothar Klein, 13.06.2017 15:09 Uhr
Die Lockerung der Abgabebestimmungen für Cannabis durch Apotheken hat zu einem deutlichen Anstieg dieser Rezepte in den Apotheken geführt: Im März verordneten Ärzte auf 488 Rezeptformularen insgesamt 564 cannabishaltige Zubereitungen oder Cannabisblüten in Rezepturen. „Die Auswertung nach den ersten drei Wochen zeigt: Das Cannabis-Gesetz zeigt im Versorgungsalltag Wirkung“, sagt Dr. Andreas Kiefer, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (DAPI) und Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK).
Seit dem 10. März dürfen Apotheken medizinisch notwendige Rezepturarzneimittel mit Cannabisblüten abgeben. Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes hatten rund 1000 Patienten eine Ausnahmegenehmigung für den Bezug von Cannabisblüten über Apotheken. „Wir ziehen aus Datenschutzgründen keinen Rückschluss auf die Anzahl der Patienten, die in Apotheken Cannabis erhalten. Die verschiedenen Schätzungen, wie viele Bundesbürger Cannabis benötigen könnten, sind reine Spekulation. Daran beteiligen wir uns nicht“, sagte Kiefer. „Sicher ist aber: Cannabis ist kein ‚Allheilmittel‘. Eine medizinische Anwendung ist nur nach entsprechender Verordnung durch den Arzt sinnvoll, und dazu gehört auch die Festlegung der Dosierung.“
Das DAPI wertete Abrechnungsdaten aus öffentlichen Apotheken zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen aus. Verordnungen auf Privatrezept wurden nicht erfasst. Im gesamten Monat März 2017 wurden zusätzlich zu den Rezepturarzneimitteln mit Cannabisblüten rund 3100 Fertigarzneimittel mit natürlichen oder synthetischen Cannabinoiden abgegeben.
Wie die Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke mitteilte, wurden von Anfang 2011 bis Ende Juni 2016 rund 233,3 Kilogramm Medizinal-Cannabis-Blüten abgegeben, davon 62 Kilogramm allein im ersten Halbjahr 2016.
Gekoppelt an die Freigabe der medizinischen Nutzung von Cannabis ist vorgesehen, dass beim BfArM eine Cannabisagentur eingerichtet wird. Diese soll den Anbau von Hanf zu medizinischen Zwecken in Deutschland steuern und kontrollieren. Dazu startete das BfArM ein EU-weites Ausschreibungsverfahren. Die Aufträge werden dann an geeignete Unternehmen vergeben. Ziel sei es, die Versorgung künftig mit in Deutschland angebautem Cannabis in pharmazeutischer Qualität sicherzustellen. Die Cannabisagentur gehört zur Abteilung „Besondere Therapierichtungen“.
Interessierte Hersteller konnten sich bis zum 6. Juni für Lose des BfArM bewerben. Dabei müssen Auftragnehmer bestimmte Kriterien erfüllen. Es ist auch möglich, dass sich Interessenten als Bietergemeinschaft beteiligen. Dazu sind allerdings weitere Erklärungen notwendig. Unter anderem sind für eine Zusage Referenzen über früher ausgeführte Aufträge zu Anbau, Verarbeitung und Lieferung von Cannabis für medizinische Zwecke mit einer Liefermenge von mindestens 50 kg je Referenz in den vergangenen drei Jahren erforderlich.
Die Zuschläge gelten für einen Zeitraum von zwei bis vier Jahren, wobei pro Jahr 200 kg Cannabisblüten geliefert werden müssen. Der erste Liefertermin ist 2019; Bei fünf Losen rechnet das BfArM mit einer Gesamtmenge von 1000 kg. Beim letzten Liefertermin dagegen, also 2022, werden 2000 kg erwartet.