„1€-Job“: Medikationsplan wird scheitern Lothar Klein, 26.09.2016 10:41 Uhr
Wer dauerhaft drei Medikamente und mehr nimmt, hat ab 1. Oktober Anspruch auf einen Medikationsplan. Aus Sicht der Hausärzte ist das Modell zum Scheitern verurteilt: „Der Medikationsplan wird in dieser Form nicht erfolgreich sein. Denn als schriftliches Dokument ist er relativ sinnlos“, sagt der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt. Auch mit dem Honorar sind die Hausärzte nicht zufrieden. Weigeldt: „Das ist ein 1-Euro-Job. Das läuft auf passiven Widerstand der Hausärzte hinaus.”
Zu viel Bürokratie, zu wenig Geld, zu viel Arbeit sind aus Weigeldts Sicht aber nicht die einzigen und entscheidenden Kritikpunkte am schriftlichen Medikationsplan. Aus seiner Sicht könnten zu viele Heilberufler daran herumdoktorn: „Wenn nicht einer den Hut auf hat, wird das scheitern“, so Weigeldt.
„Irritiert“ sei er immer noch über die Papierform. „Dann kommen die Patienten mit zerknüllten Zetteln in die Praxis oder der Hund hat den Zettel angefressen.“ Die handschriftlichen Ergänzungen von Apothekern und anderen Ärzten könne dann niemand mehr lesen. Weigeldt: „Es macht doch keinen Sinn, das die Patienten mit Medikationszetteln herumlaufen und handschriftliche Ergänzungen eintragen lassen.“
Außerdem gebe es beim schriftlichen Medikationsplan zu viele bürokratische Hürden. Auch die Patienten hätten davon „keinen großen Vorteil“. Interaktionschecks von Arzneimitteln würden ohnehin in den Arztpraxen bereits durchgeführt. Das sei im Medikationsplan aber nur „rudimentär“ angelegt: „Das ist alles nicht besonders zielführend“, so Weigeldt.
Unzufrieden ist der Chef der Hausärzte auch mit dem in der vergangenen Woche zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ausgehandelten Honorar. Danach erhalten die Ärzte für die Erstellung des Medikationsplans im kommenden Jahr insgesamt 163 Millionen Euro. „Wir wissen aber nicht, wie viel davon in der Praxis ankommt“, so Weigeldt. Es werde unterschiedliche Honorare für Chroniker und andere Patienten geben. „Das ist alles sehr unübersichtlich.“
Dabei bereite der Medikationsplan in den Praxis „relativ viel Arbeit“. Die Ärzte müssten sich „viele Gedanken machen, die Anzahl der Arzneimittel erfassen, bewerten mit dem Ziel, sie zu reduzieren.“ Dass die Hausärzte sich engagiert auf die neue Aufgabe stürzen, kann sich Weigeldt angesichts der Rahmenbedingungen nicht vorstellen.
Die Allgemeinmediziner seien trotzdem bereit, die Verantwortung zu übernehmen. Dazu müsse der Medikationsplan aber in elektronischer Form vorliegen. „Ich bin mir mit den Apothekern einig, dass wir das schnell umsetzen müssen.“ Nur so ließen sich die vernünftigen Ansätze des Medikationsplans weiterentwickeln. „Da sind wir uns einig. Ich streite doch nicht nur mit den Apothekern“, so Weigeldt.
Erforderlich dazu sei eine „diskriminierungsfreie“ Vernetzung von Ärzten, Krankenhäusern, Apothekern und anderen Heilberufen. Das deutsche Gesundheitswesen hinke mit dem Ausbau der digitalen Infrastruktur europaweit weit hinterher. Weigeldt: „Wir müssen aus dem Mittelalter rasch in die Neuzeit reinkommen.“
Seit Jahren beanspruchen die Hausärzte die Steuerung von Patienten in Deutschland. Der niedergelassene Allgemeinmediziner sei als erster Ansprechpartner bei gesundheitlichen Problemen besser geeignet als ein Facharzt, ist Weigeldt überzeugt. Das soll die politische Kernforderung der Hausärzte für die nächste Bundestagswahl werden.
In mehr als 80 Prozent aller Fälle löse der Hausarzt gesundheitliche Beschwerden seiner Patienten. Werde ein Weiterleiten an Fachmediziner notwendig, könne dies der Hausarzt am besten koordinieren. Die Hausärzte pochen darauf, dass ein Allgemeinmediziner den ersten Kontakt zum Patienten hat. „Diese komplexe Aufgabe kann nicht einfach an Gebietsfachärzte delegiert werden, ohne die Qualität der Versorgung ernsthaft zu gefährden“, so Weigeldt. Hausärzte hätten im Gegensatz zu Spezialisten ein breites medizinisches Wissen. Die Patientenversorgung zu steuern, sei daher ihre Aufgabe.
Auch beim Medikationsmanagement geht es Weigeldt zufolge vor allem um die Abstimmung der Behandlungen zwischen Haus- und Fachärzten, den Kliniken, selbstverständlich auch den Apothekern. „Diese koordinierende Aufgabe können nur die Hausärzte übernehmen“, ist Weigeldt überzeugt. Sie seien Generalisten, Ärzte für den „ganzen Menschen“. „Diese komplexe medizinische Kompetenz fußt auf einer fünfjährigen ärztlichen Weiterbildung.“