E-Health

Medikationsplan weckt Begehrlichkeiten

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Berlin -

In Zukunft sollen Patienten mit Polymedikation einen Anspruch auf einen Medikationsplan haben. Zunächst sollen sie ihren Plan in Papierform erhalten, später auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK). So sieht es der Entwurf des E-Health-Gesetzes vor. Grundsätzlich wird dieser Vorstoß aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) von allen Seiten begrüßt. Allerdings haben Apotheker, Versandapotheker und Ärzte unterschiedliche Vorstellungen, wie ihre Rolle dabei aussehen könnte.

Im Gesetzesentwurf heißt es derzeit etwa, der Hausarzt habe den Medikationsplan zu aktualisieren. Sobald er die Medikation ändere oder Kenntnis davon erlange, dass eine anderweitige Änderung eingetreten sei. Das ist der ABDA ein Dorn im Auge. Sie fordert in ihrer Stellungnahme, „dass die Einbeziehung und Rolle des Apothekers bei der Erstellung des Medikationsplanes besser verankert werden muss, schon im Hinblick auf die Daten zur Selbstmedikation.“

Die Fixierung auf den Hausarzt sieht auch der Bundesverband Internetmedizin (BiM) kritisch, allerdings aus einem anderen Grund: Die Übermittlung der Verordnungen an den Hausarzt als Verantwortlichen sei nicht mit der Realität vereinbar, da Patienten nicht zwingend einen festen Hausarzt hätten, bringt der Verband vor.

Die Bundesärztekammer (BÄK) und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) begrüßen in ihrer gemeinsamen Stellungnahme naturgemäß zwar, dass Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans als ärztliche Aufgabe gesehen werden – ausschließlich beim Hausarzt sehen sie die aber nicht. Es müsse sichergestellt werden, dass auch Fach- und Krankenhausärzte die Arzneimitteltherapien dokumentieren könnten, fordern sie in ihrer Stellungnahme. Außerdem sei vorzusehen, „dass Selbstmedikationen vom Apotheker in den Medikationsplan eingepflegt werden“.

Die ABDA will noch weiter gehen und fordert, „dass eine Medikationsanalyse integraler Bestandteil des Medikationsplanes sein muss und dass in diesem Kontext die Kooperation aller Beteiligten und deren Vergütung genauer geregelt werden müssen“. In der Jägerstraße setzt man auf das heilberufliche Netzwerk, in dem Apotheker und Arzt gemeinsam die Medikation des Patienten betreuen. So wird der Medikationsplan derzeit in den Projekten ARMIN und PRIMA erprobt.

Ein wichtiger Unterschied: In Sachsen und Thüringen können laut ABDA-Geschäftsführer Professor Dr. Martin Schulz Apotheker und Ärzte auch dann einen Medikationsplan ausstellen, wenn sie den Bedarf sehen. Laut Gesetzentwurf haben hingegen nur Patienten, die mindestens fünf verordnete Arzneimittel anwenden, Anspruch auf einen Medikationsplan. Dieses Minimum sieht Schulz kritisch.

Mit dieser Meinung ist er nicht allein. Die Einschränkung, dass Patienten mindestens fünf Medikamente einnehmen, halten BÄK und AkdÄ für „inhaltlich nicht begründbar“. Auch bei weniger Arzneimitteln könnten vermeidbare Risiken bestehen. Die Anzahl sei zudem ein schlechterer Prädiktor für das Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen als etwa das Vorliegen einer eingeschränkten Nierenfunktion oder ein höheres Lebensalter.

Daher sollten aus Sicht der Ärzte solche Patienten Anspruch auf einen Medikationsplan haben, die überdurchschnittlich häufig vermeidbaren Risiken der Arzneimitteltherapie ausgesetzt sind. Dazu zählen BÄK und AkdÄ Patienten über 75 Jahren oder mit eingeschränkter Nierenfunktion mit mindestens einer Dauermedikation sowie alle Patienten, die dauerhaft drei oder mehr Arzneimittel verordnet bekommen.

Darüber hinaus monieren die Ärzte eine fehlende Klarstellung im Gesetzentwurf: Es sei nicht eindeutig, ob bei der Anzahl nur verschreibungspflichtige, zu Lasten der Kassen verordnete Arzneimittel gemeint seien oder auch die Selbstmedikation, und ob nur in der Dauermedikation angewendete Medikamente berücksichtigt werden sollten oder auch kurzfristig angewandte Arzneimittel und Bedarfsmedikation.

Wie die Apotheker sorgen sich aber auch die Mediziner um die Vergütung und machen deutlich: Für die Erstellung eines aktuellen Medikationsplans seien 9 bis 30 Minuten pro Patient anzusetzen. „Dieser Mehraufwand muss in der ärztlichen Vergütung entsprechend abgebildet werden“, fordern BÄK und AkdÄ.

Den Versandapotheken geht der Entwurf im Ganzen nicht weit genug: „Ein Medikationsplan auf Papier im Jahr 2016 entspricht nicht unserem Verständnis an ein digitales Zeitalter im deutschen Gesundheitswesen“, so etwa Olaf Heinrich, Vorstand des Verbands der europäischen Versandapotheken (EAMSP). An anderer Stelle sei der Gesetzentwurf hingegen zu unkonkret: EAMSP kritisiert, dass es keinen Termin für die Umsetzung des E-Rezeptes gibt.

Ähnlich sieht es der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA): Das Papierrezept sei mit einer Erscheinungsform von 800 Millionen Stück im Jahr ein gigantischer Materialberg, den es effektiv abzutragen gelte. Außerdem müssen sich Medikationspläne aus Sicht des Verbands in Online-Verfahren erstellen lassen und kommunizierbar sein. Die Papiervariante könne nur eine zusätzliche Möglichkeit sein.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte Mitte Januar den Referentenentwurf zum E-Health-Gesetz vorgelegt. Minister Hermann Gröhe (CDU) sieht in der Telematikinfrastruktur Chancen, die Versorgung zu verbessern, und treibt das Thema seit dem vergangenen Jahr aktiv voran.

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