Der Countdown läuft: Ab Oktober haben Versicherte, die dauerhaft mehr als drei Medikamente einnehmen, Anspruch auf Ausstellung eines Medikationsplans. Die Ärzte bekommen dafür Geld – wie viel, darüber wird noch mit den Kassen verhandelt. Die Vorstellungen liegen so weit auseinander, dass schon mit der Schiedsstelle gedroht wird.
Der Medikationsplan bedeute für die Vertragsärzte „enormen zusätzlichen Aufwand“, so die stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Regina Feldmann. „Wenn der Medikationsplan die Sicherheit der Arzneimitteltherapie erhöhen soll, muss er umfassend und verantwortungsvoll erstellt werden.“ Dafür müssten die Ärzte auch die Medikamente erfragen und dokumentieren, die die Patienten sich in der Apotheke gekauft oder von anderen Kollegen verordnet bekommen hätten. Zudem sollten die Patienten zu den Präparaten aufgeklärt und beraten werden. „Das alles funktioniert nicht zwischen Tür und Angel.“
Die KBV fordert deshalb eine „angemessene Vergütung“ und verhandelt mit den Krankenkassen. Derzeit sei man mitten in der Diskussion mit dem GKV-Spitzenverband hinsichtlich des Honorars, so Feldmann. Der im Gesetz verankerte Medikationsplan habe eine neue Qualität, sei viel umfassender und somit nicht mit den bislang von Ärzten individuell ausgestellten Plänen vergleichbar, so Feldmann. Zudem müsse er ständig aktualisiert werden, um eine sichere Arzneimitteltherapie zu ermöglichen.
„Für diese völlig neue Leistung müssen die Krankenkassen schon Geld in die Hand nehmen“, fordert Feldmann. „Derzeit sind wir in Sachen Honorar mit dem GKV-Spitzenverband noch weit auseinander.“ Demnächst gebe es ein Spitzengespräch zwischen den Kassen und der KBV. „Wenn wir uns nicht einigen können, dann muss wohl das Bundeschiedsamt eingeschaltet werden.“
Eigentlich hätten sich KBV und GKV-Spitzenverband bis zum 30. Juni auf einen Punktwert im Einheitlichen Bewertungskatalog (EBM) einigen müssen, aus dem sich am Ende die Vergütung ergibt. Wie viele der Patienten letztlich einen Medikationsplan erhalten, könne noch niemand voraussagen, so Feldmann. Nach Berechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) kommen nahezu 20 Millionen Kassenpatienten infrage.
Über welche Beträge Ärzte und Kassen verhandeln, ist nicht bekannt. Bei den bislang etablierten Projekten der AOK Rheinland-Hamburg und der Knappschaft Bahn-See (KBS) können die Mediziner zwischen 80 und 160 Euro abrechnen; die Höhe hängt etwa vom Zeit- sowie Beratungsaufwand ab. Auch beim Projekt des Deutschen Hausärzteverbands mit AXA und Gothaer sind knapp 90 Euro angesetzt.
Bei den wenigen Projekten, bei denen die Apotheker an Bord sind, gibt es deutlich weniger: Bei ARMIN sind für die Aufnahme der Medikation im ersten Quartal 97,30 Euro vereinbart; für die weitere Betreuung gibt es in jedem Folgequartal 22 Euro. Auch die Techniker Krankenkasse (TK) zahlt Apotheken für die Analyse der zur Verfügung gestellten Medikationslisten nach Ablauf der Anschubfinanzierung nur 25 Euro. Lediglich die Apothekenkooperation Elac Elysée („Guten Tag Apotheken“) konnte mit der DKV 80 Euro für die Medikationsanalyse aushandeln.
Laut E-Health-Gesetz ist der erstausstellende Arzt zur weiteren Aktualisierung verpflichtet, Apotheker aktualisieren auf Wunsch des Versicherten. Auch andere Ärzte und Kliniken können den Medikationsplan ergänzen. Zunächst liegt der Medikationsplan in Papierform vor; der Arzt speichert ihn in seiner Praxissoftware ab und druckt ihn für den Patienten aus. Ab 2018 soll er dann auch auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gespeichert werden. Ab dem 1. Januar 2019 müssen dann alle Vertragsärzte und Apotheker in der Lage sein, einen auf der eGK gespeicherten Medikationsplan zu aktualisieren.
KBV, Deutscher Apothekerverband (DAV) die Bundesärztekammer (BÄK) hatten sich im Frühjahr fristgerecht auf eine technische Spezifikation zur elektronischen Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans geeinigt. Diese basiert auf den fachlichen Vorgaben, die im Rahmen der vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) initiierten Aktionsplan Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) entwickelt wurde.
Die Apotheker könnten am Ende trotz zahlreicher Versprechen der ABDA nicht nur kein Terrain gewonnen, sondern sogar verloren haben: In ihrer Stellungnahme zum Pharmadialog-Gesetz (Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz, AM-VSG) fordert die KBV, dass ihnen die Apothekenrechenzentren für das Medikationsmanagement künftig auch nicht anonymisierte Daten liefern.
APOTHEKE ADHOC Debatte