In der vergangenen Woche zeigte sich eine Schwachstelle des Versandhandels mit Arzneimitteln: Durch den Streik der Deutschen Post blieben Pakete in den Lieferfahrzeugen in der Kälte stehen. Kundinnen und Kunden erhielten ihre Medikamente nicht nur mit Verzögerung, in einigen Fällen froren flüssige Arzneimittel bei den Minusgraden sogar ein – besonders betroffen waren Fiebersäfte.
Neben der bequemen Bestellung von zu Hause aus ist die schnelle Lieferung ein wichtiges Verkaufsargument großer Versender wie DocMorris oder Shop Apotheke. Der Poststreik der vergangenen Woche hat gezeigt, wie anfällig das Geschäft sein kann. Im Gegensatz zu Vor-Ort-Apotheken mit Botendiensten oder den deutschen Großhändlern sind die Versender auf die Deutsche Post angewiesen. Streikt der Paketdienstleister, bleiben mitunter auch Arzneimittelsendungen einfach liegen.
Markus Schäfer hatte sein E-Rezept für Fiebersäfte bereits vor Tagen bei DocMorris eingereicht. Doch aufgrund des Poststreiks kam sein Paket verspätet an. Damit nicht genug: Als der kränkelnde 43-Jährige aus Rheinland-Pfalz es endlich öffnet, blickt er nur auf Glassplitter. „Die kleine Glasflasche muss wohl in der Nacht gefroren sein, und beim Ausdehnen ist das Glas gesprungen“, klagt Schäfer. Sein E-Rezept habe man ihm nicht zurücksenden können, da die Verordnung bereits beliefert worden sei. Also müsse Schäfer erneut zum Hausarzt. „Diesmal gehe ich mit dem Rezept direkt in die Apotheke.“
Ähnlich erging es auch anderen Patienten in Deutschland. Das Ehepaar Anna und Thomas Weber hatte Erkältungsmedikamente für ihren kränkelnden Sohn bestellt, darunter auch ein Antibiotikum für Kinder. Mit deutlicher Verspätung traf das Paket schließlich ein. „Das mittlerweile durch die Fahrt und die Heizung wieder aufgewärmte Paket hatte schon beim Annehmen einen auffälligen feuchten Fleck“, schildert Weber. Auch hier war die Glasflasche zersprungen. Zu allem Überfluss hatte der ausgelaufene Saft die Kartons der mitbestellten OTC-Medikamente durchweicht. Der Clou: „Mein Sohn hat mittlerweile gar keinen Infekt mehr.“
Auch verspätet, aber immerhin unversehrt, erreichte Sophie Fischer ihr Paket. Sie hatte ihre Anti-Baby-Pille über den niederländischen Versender bestellt. Das Einnahmefenster hatte sie gerade noch so einhalten können: „Das ist zeitlich ganz schön knapp geworden.“ Ob die Studentin das Risiko einer Onlinebestellung bei zeitkritischen Medikamenten noch einmal eingehen würde, ließ sie offen. „Ich merke mir in jedem Fall, dass ich nur online bestelle, wenn ich wirklich genügend Vorlauf habe.“
„Fehlende Kühlung kann man den Versendern jedenfalls nicht vorwerfen“, heißt es unter einem Post eines Kunden auf Facebook, der ein Paket mit einer geplatzten Glasflasche zeigt. Und tatsächlich ist es in Bezug auf die Arzneimittelsicherheit ein Glück, dass die Post im Winter und nicht bei höheren Temperaturen gestreikt hat. Werden Medikamente nicht ausreichend gekühlt transportiert, können sie ihre Wirkung verändern oder sogar verlieren. Problematisch dabei: Hitzeschäden sind den meisten Präparaten von außen nicht anzusehen.
Genau aus diesem Grund müssen der Großhandel genau wie die Apotheken eigentlich eine ununterbrochene Kühlung beim Transport von Arzneimitteln sicherstellen, um die Qualität zu gewährleisten und den Patienten sicher zu versorgen. Doch genau das müssen die Versender nicht. Ungerecht, findet das der Phagro-Vorsitzende Marcus Freitag. „Warum lassen wir es politisch zu, dass Rosinenpickerei betrieben wird?“, fragte er auf einer Veranstaltung. Denn GDP-konforme Transporte seien teurer, und wenn sie verpflichtend werden, gehe der Versandhandel automatisch zurück.
Dem scheint auch Tino Sorge (CDU) zuzustimmen. Ein Verbot des Versandhandels sei zwar schwierig, doch zumindest müssten gleiche Voraussetzungen geschaffen werden – etwa bei der Kühlung während des Transports oder der Gewährung von Boni. Auch Kristine Lütke (FDP) betonte in einem Interview, dass hier einheitliche Bedingungen gelten müssten.
Doch nicht alle Parteien teilen diese Ansicht. Die Gesundheitspolitikerin Dr. Paula Piechotta (Grüne) zeigt offenbar wenig Ambitionen, die Versender denselben Standards zu unterwerfen, die für Großhändler und Apotheken in Deutschland gelten. Dies würde laut ihrer vagen Erklärung zu viel neue Bürokratie verursachen.
Für Schlagzeilen sorgte diese Woche auch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Er scheint das Thema Daten für sich zu entdecken: Auf dem CDU-Parteitag vergangene Woche kündigte er die Schaffung eines Digitalministeriums an, um die Digitalisierung in Deutschland voranzutreiben. Das wirtschaftliche Potenzial der Datennutzung müsse stärker in den Vordergrund gerückt werden, so Merz. Das solle auch für den Gesundheitsbereich gelten – mit finanziellen Anreizen für alle, die mitmachen. Wer die elektronische Patientenakte (ePA) „vollumfänglich“ nutze, könne beispielsweise zehn Prozent weniger Krankenkassenbeiträge zahlen, schlug der Kanzlerkandidat vor.
Für diesen Vorschlag hagelte es Kritik: „Gesundheitsdaten dürfen nicht verkauft werden“, erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) persönlich. Die Datenspende auf Basis der ePA dürfe ausschließlich der Forschung zugutekommen. Dabei hatte Lauterbach noch im vergangenen Jahr auf einer Veranstaltung betont, dass diese Daten nicht nur von staatlichen Institutionen und Hochschulen, sondern auch von der Industrie genutzt werden könnten – abhängig von der jeweiligen Forschungsfrage, nicht von der Art der Institution. Auch internationale Unternehmen wie Meta, OpenAI und Google hätten großes Interesse an der Nutzung dieses Datenschatzes, berichtete er damals stolz.
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