Den Apothekern wird in Medienberichten regelmäßig mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und Besitzstandswahrung vorgeworfen. Seit dem EuGH-Urteil zu Rx-Boni und der Debatte zum Rx-Versandverbot hat sich dieser Trend mal wieder verschärft – vor allem in überregionalen Zeitungen. Apotheker Michael Weigand ruft daher seine Kollegen auf, ihre Scheu vor den Medien abzulegen und aktiv das Gespräch mit Journalisten zu suchen. Er weiß aus eigener Erfahrung, es gibt durchaus Reporter, die zuhören.
Nach dem EuGH-Urteil waren Berichte über Apotheken in den Publikumsmedien beinahe an der Tagesordnung. Nur wenige von ihnen waren positiv. Vor allem das Nachrichtenmagazin der Spiegel und die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) fielen durch eine wenig differenzierte bis apothekenfeindliche Berichterstattung auf. Doch es geht auch anders: Ende Januar erschien in der Süddeutschen Zeitung (SZ) ein Artikel, der andere Töne anschlägt. Der Text ist zwar keinesfalls frei von kritischen Untertönen, zeigt aber auch Ängste und Sorgen der Apotheker auf.
Der Artikel ist entstanden, weil Apotheker Michael Weigand aus Bad Königshofen, zum Hörer griff und einen Redakteur der SZ anrief. „Ich hatte es einfach satt, all die negativen Berichte zu lesen, in denen kaum echte Apotheker zu Wort kommen“, sagte er gegenüber APOTHEKE ADHOC. „Ich wollte einfach erzählen, wie es abseits aller politischen Kämpfe an der Basis aussieht“.
In der Süddeutschen erzählt Weigand unter anderem von den wachsenden Existenzängsten der Apotheker. „Ich persönlich habe sogar eine vergleichsweise komfortable Situation, da ich die gut gehende Apotheke von meinem Vater übernommen habe, mich also nicht verschulden musste“, berichtet er. Andere Kolleginnen und Kollegen, die eine neue Apotheke eröffnen oder kaufen, müssten hohe Kredite aufnehmen. Daneben tragen sie die Verantwortung für ihre Mitarbeiter.
Dennoch hat sich auch Weigand einen Plan B überlegt und mit seinem Steuerberater durchgerechnet. So stünde seine Familie finanziell nicht schlechter da, wenn er mit seiner Frau ihre finnische Heimat auswanderte. Dort könnte er als angestellter Apotheker arbeiten und seine Frau in ihren Beruf bei einem Großkonzern zurückkehren. Noch sei es lediglich ein Gedankenspiel. „Ich bin aber froh, eine Ausstiegsoption zu haben“, sagt der Pharmazeut. Viele Kollegen hätten keine.
Aber noch will er hier kämpfen. Er ist überzeugt, dass der einzige Weg in die Öffentlichkeit das Gespräch mit Redakteuren ist. „Wenn wir nicht mit Medien reden, dann tut es DocMorris“, appelliert Weigand an seine Kollegen. Es sei oft wenig zielführend, über bereits erschiene negative Berichte zu schimpfen. Seiner Erfahrung nach bringe es selten etwas, kritische Journalisten, die sich deutlich und mit drastischen Worten für oder gegen eine Sache positioniert haben, vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Man müsse stattdessen auf die Medien zugehen, die das Thema noch gar nicht auf der Agenda hatten und noch offen gegenüber der Argumentation von Apothekern sind. „Wenn wir mit Journalisten reden, dann kann DocMorris ihnen nicht mehr alles ohne Widerrede erzählen.“
Allerdings hätten viele Apotheker große Scheu davor, mit Medien zu sprechen, berichtet Weigand. So habe ein Landesapothekerverband vor einiger Zeit die Möglichkeit gehabt, einen Bericht zum Thema Retaxationen in einer großen überregionalen Zeitung anzustoßen. Allerdings wollten die Redakteure nicht ausschließlich mit Funktionären sprechen, sondern vor allem mit den betroffenen Apothekern. Diese hätten jedoch jeglichen Kontakt abgelehnt. Der Bericht sei nicht erschienen und die Möglichkeit, das für Apotheken so wichtige Thema einem größeren Publikum bekannt zu machen, war vertan.
Es sei daher wichtig, dass nicht nur Funktionäre aus den Kammern und Verbänden ihren Job bei der Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit richtig machen. „Journalisten wollen authentische Geschichten von echten Apothekern hören, die mit ganzem Herzen dabei sind und ihre ganze Kraft und Leidenschaft in die Apotheke stecken“, so Weigand.
Das sei auch der Grund, warum er den Redakteur der SZ letztlich überzeugen konnte. Der Journalist hatte eine lange Anfahrt auf sich genommen und laut Weigand etwa vier Stunden in seiner Mohren-Apotheke verbracht. Herausgekommen sei dabei nicht nur ein Artikel, der die Herausforderungen des Apothekenalltags der breiten Öffentlichkeit zugänglich macht. Der Apotheker hofft, dass der Redakteur nun als eine Art Korrektiv in der Redaktion fungiert. „Sollte es bei Redaktionssitzungen zu einseitigen, apothekenkritischen Äußerungen kommen, wird der Journalist bestimmt von seinen Erfahrungen aus der Apotheke berichten und so möglicherweise zu einer differenzierteren Betrachtung beitragen“, so Weigand.
Allerdings müsse es nicht immer die große überregionale Zeitung sein. Der Artikel in der Süddeutschen sei ein extremer Glücksfall gewesen. Einfacher gehe es bei den Lokalzeitungen. „Die Redakteure sind auch auf der Suche nach guten Geschichten“, macht Weigand seinen Kollegen Mut, sich an die Medien zu wenden. Auch wenn Lokalmedien nur eine begrenzte Reichweite hätten, könne man damit etwas bewirken. Wenn mehrere Kollegen aus unterschiedlichen Regionen mit ihren Lokaljournalisten sprechen würden, würde sich auch die Reichweite erhöhen. Mit Berichten in Lokalmedien habe man außerdem eine gute Chance, Bundestagsabgeordnete zu erreichen. Denn sie würden die Zeitungen aus ihren Wahlkreisen auch in Berlin lesen.
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