Massentests kosten 1,5 Milliarden Euro pro Monat APOTHEKE ADHOC, 21.04.2020 10:39 Uhr
Nachdem Bundestag und Bundesrat erst kürzlich im Eilverfahren zahlreiche Hilfen und Regelungen verabschiedet haben, um die Folgen der Corona-Krise abzufedern, hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ein neues Gesetzespaket zur Eindämmung der Pandemie vorgelegt. Unter anderem geht es darin auch um die Bevorratung mit Grippeimpfstoff für die Saison 2020/21 und um eine massive Ausweitung von Coronavirus-Tests auch unter Mithilfe von Tierärzten, um schärfere Meldepflichten bei Verdachts- und Krankheitsfällen sowie Laborbefunden. PKV-Versicherte sollen besser geschützt werden. Flächendeckende Corona-Tests würden die Krankenkassen bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Monat kosten.
„Die zunehmende Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 hat zur Folge, dass weitere Maßnahmen erforderlich sind, um den mit der durch das Virus ausgelösten Pandemie verbundenen Folgen zu begegnen und diese abzumildern“, heißt es in dem Entwurf. Konkret vorgesehen sind weitere Änderungen im Infektionsschutzgesetz, das Bundestag und Bundesrat bereits im März im Eilverfahren reformiert hatten. Zudem gibt es Anpassungen im Sozialgesetzbuch, im Versicherungsvertragsgesetz und im Krankenhausfinanzierungsgesetz.
Grippeschutz:
Für die kommende Grippesaison 2020/2021 wird mehr Grippeimpfstoff eingeplant. „Durch eine ausreichende Versorgung der Risikogruppen mit saisonalen Grippeimpfstoffen kann eine Belastung des Gesundheitssystems mit Influenza-Patienten verringert werden, sodass die vorhandenen Kapazitäten für die Versorgung der Covid-19-Patienten genutzt werden können“, heißt es zur Begründung. Die Versorgung der Patienten mit saisonalen Grippeimpfstoffen erfolge durch Ärzte. Die Abschätzung des tatsächlichen Bedarfs an Grippeimpfstoff für die Impfsaison 2020/2021 sei aber aufgrund der aktuellen COVID-19-Pandemie „erheblich erschwert“, insbesondere weil verlässliche Aussagen zur Weiterentwicklung der COVID-19- Pandemie und auch derzeit nur eine Einschätzung der Impfbereitschaft der Bevölkerung in der Grippeimpfsaison 2020/2021 getroffen werden könnten, heißt es im Gesetzentwurf.
Zur Vermeidung einer Unterversorgung der Bevölkerung mit saisonalem Grippeimpfstoff werde den Ärzten deshalb ein höherer „Sicherheitszuschlag“ für die Bestellung von saisonalem Grippeimpfstoff eingeräumt, um das Risiko von Regressforderungen der Krankenkassen wegen unwirtschaftlicher Verordnung zu verringern. Eine Überschreitung der Verordnung von saisonalen Grippeimpfstoffen im Wege des Sprechstundenbedarfs von bis zu 30 Prozent gegenüber den tatsächlich erbrachten Impfungen gilt grundsätzlich nicht als unwirtschaftlich.
Zur Vermeidung einer Unterversorgung der Bevölkerung mit saisonalem Grippeimpfstoff in der Impfsaison 2020/2021 werde zudem die vom Paul-Ehrlich-Institut zur berücksichtigende zusätzliche Reserve von 10 Prozent auf 30 Prozent erhöht. Damit werde der COVID-19-Pandemie Rechnung getragen. Durch eine ausreichende Versorgung der Risikogruppen mit saisonalen Grippeimpfstoffen könne eine Belastung des Gesundheitssystems mit Influenza-Patienten verringert werden, sodass die vorhandenen Kapazitäten für die Versorgung der COVID-19-Patienten genutzt werden könnten.
Massentests:
Das Gesetzespaket schafft die Grundlage für Massentests. So sollen die gesetzlichen Krankenkassen künftig auch die Kosten für symptomunabhängige Tests übernehmen. Bisher wird in der Regel nur bei einem begründeten Verdacht auf Corona getestet. Für einen Standard-PCR-Test mit Stäbchen zahlen die Kassen laut Spitzenverband der Krankenkassen 59 Euro. Momentan können die Labore in Deutschland laut Robert Koch-Institut rund 730.000 dieser Tests pro Woche durchführen. In der Gesetzesvorlage ist nun die Rede von möglichen viereinhalb Millionen zusätzlichen PCR-Tests pro Woche. Die Kosten dafür wären beträchtlich: „Dies könnte zu monatlichen Mehrbelastungen der GKV zwischen 1 und 1,5 Mrd. Euro führen. Gleichzeitig ginge damit eine Verbesserung der Verhütung in Bezug zu COVID-19-Ansteckungen einher. Dadurch werden Kosten für Krankenbehandlungen in nicht quantifizierbarer Höhe vermieden“, so der Gesetzentwurf.
Strengere Meldepflicht:
Labore und Ärzte müssen den Gesundheitsämtern künftig nicht mehr nur Verdachtsfälle einer Infektion, bestätigte Fälle und Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 melden, sondern auch negative Laborbefunde von Tests und wieder genesene Fälle. „Durch diese Meldung kann der öffentliche Gesundheitsdienst künftig in die Lage versetzt werden, den Verlauf der Covid-19-Pandemie in der Bundesrepublik besser einzuschätzen“, heißt es im Entwurf.
Tierärzte sollen mithelfen:
Um die Testkapazitäten hochzufahren, wird vorübergehend auch auf die Mithilfe von Tierärzten gesetzt. Die Nutzung von tierärztlichen Laboren könne einen wichtigen Beitrag zur Ausweitung der bestehenden Testkapazitäten leisten und die stark belasteten humanmedizinischen Labore entlasten, heißt es. Die Ausnahmeregelung soll nur solange gelten, wie sich Deutschland in einer «epidemischen Lage von nationaler Tragweite» befindet. Tierärzte müssen zudem vorher «durch eine Fachärztin oder einen Facharzt für Laboratoriumsmedizin oder für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie» eingewiesen werden.
PKV-Versicherte:
Die Krise könnte viele privat versicherte Selbstständige und Kleinunternehmer zwingen, wegen finanzieller Probleme in einen günstigeren Basistarif ihrer Krankenkasse mit weniger Leistungen zu wechseln. Mit dem Gesetz sollen Betroffene ein vereinfachtes Rückkehrrecht in den ursprünglichen Tarif bekommen, wenn es ihnen finanziell wieder besser geht - ohne erneute Gesundheitsprüfung und damit möglicherweise höhere Beiträge.
Ausländische Corona-Patienten:
Die Kosten für die Behandlung schwerkranker Corona-Patienten aus anderen EU-Ländern in Deutschland werden vom Bund übernommen. Deutschlands Krankenhäuser versorgen laut Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf ihren Intensivstationen bereits mehr als 200 Patienten aus anderen Ländern. Die Behandlungskosten werden üblicherweise den Ländern in Rechnung gestellt. Das soll wegfallen. Durch die Kostenübernahme entstünden dem Bund Mehraufwendungen von rund 15 Millionen Euro, heißt es im Entwurf. „Europa steht auch in Krisenzeiten zusammen“, sagte Spahn dazu am Montag.
Krankenhaus:
Die Kliniken haben wegen der Corona-Pandemie massiv in Intensivkapazitäten investiert und halten Plätze vor. Gleichzeitig wurden andere Behandlungen verschoben, was Einnahmeausfälle verursacht. Mit dem Gesetz würden nun weitere Maßnahmen ergriffen, die die Krankenhäuser bei der Bewältigung der Pandemie unterstützten, heißt es im Gesetzentwurf. Es geht unter anderem um Lockerungen bei der Abrechnungsprüfung.