Maskenstreit: Nächste Schlappe für das BMG APOTHEKE ADHOC, 30.08.2021 14:13 Uhr
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat im Streit um die Beschaffung von FFP2- und KN95-Masken im Frühjahr 2020 erneut eine Niederlage erlitten: Das Landgericht Bonn (LG) hat das Ministerium zur Zahlung von 15,3 Millionen Euro an einen Lieferanten verurteilt. Dabei betonte es insbesondere, dass der vom BMG angeführte TÜV-Test, mit dem es Qualitätsmängel geltend macht, vor Gericht wertlos sei: Er könne nicht als unparteiisches Prüfverfahren bewertet werden.
Das BMG streitet sich weiter mit dutzenden Maskenlieferanten über verweigerte Zahlungen. In einem Vorbehaltsurteil im Urkundenverfahren hat das Ministerium nun eine erneute Schlappe eingefahren: Wie in den anderen anhängigen Verfahren weigert sich das BMG, den klagenden Händlern den vollen Preis für die gelieferten FFP2-Masken zu zahlen und beruft sich dabei auf eine Prüfung durch den TÜV Nord, laut der die Masken Qualitätsmängel haben.
Das Geschäft war vergangenes Frühjahr zustande gekommen: Um möglichst schnell möglichst viele FFP2-Masken akquirieren zu können, hatte das BMG ein Open-House-Verfahren aufgesetzt, bei dem jeder Lieferant zum Fixpreis von 4,50 Euro pro Stück unbegrenzt viele Masken absetzen konnte. Offensichtlich hatte das Angebot die Schätzungen des BMG weit übertroffen, weit über eine Milliarde Masken waren geliefert worden. Das BMG verweigerte daraufhin Zahlungen an mehr als 70 Lieferanten und berief sich dabei auf Qualitätsmängel, unter anderem seien Masken nicht wasserdicht gewesen, argumentierte es in einem Fall.
Dem war das LG nun nicht gefolgt: Denn nicht nur habe der Prüfbericht des TÜV Mängel, sondern er sei vielmehr nicht aussagekräftig, weil er „nicht als unparteiisches Prüfgutachten zur Frage der Mangelhaftigkeit der Masken bewertet werden kann“, wie das LG auf Anfrage bestätigt. Vielmehr müsse es wie ein Privatgutachten betrachtet werden, um die Qualitätsmängel vor der Kammer zu belegen, brauche es einen gerichtlich bestellten Sachverständigen. Das könnte allerdings noch passieren: Da es sich um ein Vorbehaltsurteil im Urkundenverfahren handelte, wurde nur auf Grundlage der in den Prozess eingebrachten Dokumente geurteilt. Macht das BMG geltend, dass es eine weitere Beweiserhebung fordert, wird in derselben Instanz ein Nachverfahren eröffnet, bei dem neben Zeugen auch gerichtlich bestellte Sachverständige aussagen können.
Von dem Urteil – es ist mittlerweile das sechste in dem Komplex – könnte deshalb zwar einer Signalwirkung für die weiteren Verfahren ausgehen, um eine Präzedenzentscheidung handelt es sich laut LG aber nicht: Es handele sich stets um Einzelfallentscheidungen, entsprechend seien die Masken in jedem Verfahren gesondert zu prüfen.
Bereits im April hatte das LG das BMG zur Nachzahlung von 1,8 Millionen Euro an einen Lieferanten verurteilt. Damals hatte es festgestellt, dass das Ministerium verschiedenen Vertragspartnern rechtswidrig unterschiedliche Konditionen eingeräumt hat. Auch damals berief sich das BMG auf Qualitätsmängel und behauptete, es trete deshalb vom Vertrag zurück. Aufgrund des Fixcharakters des Geschäfts scheide eine Nacherfüllung aus.
Doch genau das bestritt das betroffene Unternehmen und erhielt recht: Denn zwar war das Open-House-Verfahren tatsächlich als Fixverfahren geplant – anderen, anscheinend ausgesuchten Lieferanten war aber sehr wohl eine Nacherfüllung gewährt worden. „Der Bund stellt auch gar nicht unstreitig, dass Nacherfüllungen möglich waren, behauptet aber, dass die Logistiker Fiege und DHL das unabgesprochen selbst gewährt hätten“, erklärte Klageanwalt Moritz Kopp von der Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhardt auf Anfrage. „Falls das wirklich so ist, frage ich mich aber: Warum gibt es dann keine Schadenersatzverfahren gegen Fiege und DHL?“