Vor dem Chaos um den Impfstart hatte die Bundesregierung im Frühjahr 2020 Ärger mit der Beschaffung von „persönlicher Schutzausrüstung“ (PSA). Noch immer sind 58 Klagen über einen Streitwert von 142 Millionen Euro beim Landgericht Bonn anhängig, wie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf Anfrage der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke berichtet.
Die Bundesregierung hatte im März und April 2020 zusammen mit den Ländern unter anderem Atemschutzmasken, Schutzkittel und -anzüge im großen Stil bestellt, teilweise im sogenannte Open-House-Verfahren. 738 Zuschläge an 535 Vertragspartner wurden laut BMG erteilt. Zu den vom Ministerium kommunizierten Angaben zur Beschaffung hatte die Linke noch weitere Nachfragen.
So hat sich die Fraktion nach der tatsächlichen Abnahme der Ware und ihrer Weitervermittlung erkundigt. Das BMG teilt hierzu mit: „Die PSA wurde nach erfolgreicher Qualitätsprüfung durch den beauftragten Dienstleister vom Bundesministerium für Gesundheit akzeptiert. Die Masken wurden nur zu den vertraglich vereinbarten Bedingungen akzeptiert.“ Eine Weitervermittlung sei nicht erfolgt, auch seien keine Teillieferungen akzeptiert worden.
Mit der Planung, Durchführung und dem daraus resultierenden Arbeitsaufwand waren und sind nach Angaben des Ministeriums bis zu acht Mitarbeiter beschäftigt – aber das sind nur die internen Kräfte. Denn das BMG hat sich zusätzliche Unterstützung von der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) geholt. Laut „Spiegel“ wurden dafür alleine im vergangenen Jahr 9 Millionen Euro ausgegeben; insgesamt kamen demnach für Berater im Zusammenhang mit der Beschaffung von Schutzausrüstung 30 Millionen Euro zusammen. Zeitweise waren laut BMG rund 50 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der EY Law mit dieser Angelegenheit beschäftigt, außerdem CMS Hasche Sigle, Dentons Europe LLP sowie Müller-Wrede & Partner. Wie hoch die Kosten für das Verfahren denn insgesamt gewesen seien, wollte die Linke wissen. Doch das BMG blockt ab: „Die Frage kann in dieser Pauschalität nicht beantwortet werden.“
Die Linke hakt auch bei den Qualitätsprüfungen nach. Wie viele Masken sich als so mangelbehaftet herausgestellt hätten, dass sie nicht benutzbar gewesen seien? Die Opposition hätte sich eine Aufgliederung nach Typ und Menge gewünscht, bekam aber wieder nur eine Pauschale Antwort. „Nach derzeitigem Kenntnis- und Prüfungsstand werden über alle Beschaffungswege hinweg bis zum Ende des Jahres 2021 voraussichtlich mehr als 85 Prozent der beschafften Masken verkehrsfähig und damit für den Gesundheitssektor verwendbar sein“, heißt es. Ansonsten verweist die Regierung auf frühere Antworten.
Trotzdem wird noch vor Gericht gestritten: 16 Verfahren vor dem LG Bonn sind beigelegt, doch 58 Klagen sind noch anhängig. „Der Streitwert der vorstehenden rechtshängigen Klagen im Open-House-Verfahren beträgt circa 142 Millionen Euro“, so das BMG.
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