Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat im vergangenen Frühjahr Atemschutzmasken über seinen Duz-Freund und damaligen DocMorris-Vorstand Max Müller beschafft. Er selbst habe zum Telefonhörer gegriffen und bewusst über „Freunde und Bekannte“ Schutzausrüstung für den Bund organisiert.
Die Affäre um dubiose Maskengeschäfte von CDU-Politikern bringt die Bundesregierung weiterhin in Bedrängnis. Spahn hatte deshalb versprochen, Transparenz herzustellen – und sieht sich deshalb offensichtlich in der Pflicht, nun auch eigene Geschäfte öffentlich zu machen. In einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hat sich der Minister deshalb nun zu seinen eigenen Umtrieben während dieser Zeit eingelassen.
Es sei „an einem Sonntagmorgen im März letzten Jahres“ gewesen, als er eingesehen habe: „Wir kommen mit unserer klassischen Beschaffung über die zuständigen Ämter nicht weiter“, so Spahn. Deshalb habe er „angefangen, selbst zum Telefonhörer zu greifen“, um Schutzausrüstung zu organisieren. Dabei habe ihm „ein befreundeter ehemaliger Vorstand des Onlineapothekers DocMorris“ Masken angeboten, die er dann auch bestellt habe – sein Freund Max Müller: „Stimmt, Herr Müller hat sich bei mir gemeldet und uns Masken angeboten“, räumt Spahn ein. Maskenlieferant war dabei die DocMorris-Tochter Centropharm. Die Frage, ob es keinen potentiellen Interessenkonflikt gebe, wenn der Minister mit Steuergeldern bei seinen Freunden bestellt, weist Spahn hingegen zurück: „Wir waren in einer Notlage. Für mich zählte nur, dass wir gute Masken zu akzeptablen Konditionen bekommen haben, und zwar schnell. Eins ist mir dabei wichtig: Es ging nie um Provisionen!“
Mit Centropharm war Spahn nach eigenen Angaben bereits in Kontakt, bevor das Open-House-Verfahren zur Maskenbeschaffung eröffnet wurde – deshalb und weil es schnell gehen musste, habe er DocMorris nicht an das Vergabeverfahren verwiesen. „Damals haben sich Lieferanten in Talkshows beklagt, dass sie mich persönlich vergeblich angeschrieben hätten. Heute wirft man mir vor, dass ich mich direkt bei Firmen gemeldet habe. Damit muss ich leben“, so Spahn.
Eine politische Instinktlosigkeit oder gar ein Geschmäckle von Korruption will sich Spahn für sein Handeln nicht vorwerfen lassen. Sich auch über eigene Freunde bei der Beschaffung einzubringen, „war damals nötig und gehört zur Jobbeschreibung in der Krise“, so Spahn. „Das habe ich auch bei Tests und Beatmungsgeräten gemacht, weil wir da gegen internationale Konkurrenz gekämpft haben. Da zählt es, ob sich der Minister selbst dahinterklemmt. Und ich mache es bis heute bei einem Thema, wo ich viel Kritik einstecken muss: der Impfstoffbeschaffung.“ Spahn beteuert, nicht persönlich von den Geschäften profitiert zu haben. Auch eine Vorzugsbehandlung für seine persönlichen Freunde habe es nicht gegeben: „Meinen Leuten habe ich immer gesagt: Hier wird jeder gleich behandelt, auch wenn der Papst anruft.“
Eine Anfrage zu Bestellmenge und Konditionen des Deals hat das BMG noch nicht beantwortet. Müller, bis Ende April 2020 Strategiechef im Vorstand von DocMorris, seit dem 1. Mai Leiter des Bereichs Public Affairs Deutschland und EU bei Bayer, und der heutige Minister kennen sich seit Spahns Anfängen im Bundestag 2002. Anfang 2003 gründet Müller dann die Agentur Kommunikation Politik und Wirtschaft (KPM), die Unternehmen aus der Gesundheitsbranche Kontakte in die Politik vermitteln soll – erster Kunde war die Versandapotheke DocMorris, die damals gerade um die Legalisierung des Versandhandels kämpfte. Müller und Spahn tauschten sich dazu aus: „Wir hatten beide Lust, die Gesundheitsbranche ein bisschen aufzumischen“, wird Müller in Spahns Biographie von Autor Michael Bröcker zitiert.
Im April 2006 gründen Müller, Spahn und Markus Jasper, Leiter von Spahns Abgeordnetenbüro, eine Gesellschaft, der die Agentur Politas gehört. Das sorgte später für Schlagzeilen, weil Politas auch Kunden aus der Pharmabranche beriet und Spahn zu dieser Zeit bereits im Gesundheitsausschuss saß. Im Juni 2008 meldete sich Spahn gemeinsam mit dem FDP-Politiker Jorgo Chatzimarkakis im Handelsblatt zu Wort: In einem Gastbeitrag machte er sich für ein Lizenzsystem für Apotheken als Ersatz zum Fremdbesitzverbot stark. Dass diese Idee 1:1 einem Vorschlag von Celesio entsprach, wo Müller gerade die Leitung des Haupstadrbüros übernommen hatte, mag Zufall oder Einflüsterung gewesen sein – oder Geschäft.
Erst 2012 wird Spahns Beteiligung von 25 Prozent bekannt und macht Schlagzeilen – was Spahn nicht daran hindert, sich 2017 als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium (BMF) an der Softwarefirma Pareton (Taxbutler) zu beteiligen. „Heute würde ich anders handeln“, sagt Spahn dazu in seiner Biographie. Auch Müller räumt in der Biographie einen Fehler ein: „Wir hätten das anders lösen müssen.“ Sein Verhältnis zu Spahn habe dadurch aber nicht gelitten. Laut Bröcker gehört Müller zu den ersten Gratulanten, als bekannt wird, dass Spahn Gesundheitsminister werden soll.
Auch sein umstrittener Logistik-Deal mit der Firma Fiege aus seiner – regionalen und politischen – Heimat sei sauber, beteuert Spahn im Interview mit dem „Spiegel“. „Fiege ist ein angesehenes westfälisches Familienunternehmen in der Gesundheitslogistik, das ich als solches gut kenne“, so Spahn. Er sehe darin keinen potentiellen Interessenkonflikt. „Wir waren in einer Notlage. Für mich zählte nur, dass wir gute Masken zu akzeptablen Konditionen bekommen haben, und zwar schnell.“ Genau das bezweifeln Kritiker des Ministers: Sie werfen ihm vor, politische und private Bekannte bevorzugt zu haben und zum Teil teurere Angebote genutzt zu haben, als es notwendig gewesen wäre. So wollten die Grünen erst in dieser Woche in einer parlamentarischen Anfrage wissen, ob es zutrifft, dass das BMG bis zum Herbst bei der Firma Emix FFP2-Masken zum Preis von 5,40 Euro kaufte, obwohl es zur selben Zeit im Open-House-Verfahren einen Preis von 4,50 Euro auslobte.
Auch zum Emix-Deal ließ Spahn sich nun ein. Der Kontakt sei „in einer Phase, in der wir nach jedem Strohhalm gegriffen haben“, über Monika Hohlmeier, CSU-Europaabgeordnete und Tochter von Franz-Josef Strauß, zustande gekommen. Die wiederum habe den Kontakt dann über Andrea Tandler, Tochter des CSU-Politikers Gerold Tandler, hergestellt – und Spahn sei von den Preisen selbst nicht begeistert gewesen. „Da habe ich ihr gesagt: Das ist aber zu teuer, das machen wir nicht. Danach habe ich mich persönlich damit nicht mehr weiter beschäftigt“, so Spahn. Es sei die zuständige Fachabteilung gewesen, die den Deal dann weiter vorangetrieben hat. „Die Fachabteilung hat gesagt: Die Qualität war gut, die Firma hatte ein Finanzierungskonzept, und wenn das so gut läuft, sollte der Kanal auch weiter genutzt werden.“
Auch seine Connection zu Gematik-Chef Markus Leyck Dieken kommt erneut zur Sprache. Erneut wies Spahn dabei alle Vorwürfe von sich. Leyck Dieken habe sich in einem Bewerbungsverfahren gegen sieben Mitbewerber durchgesetzt – aber, so räumt Spahn ein, sich vorab bei ihm erkundigt: „Herr Leyck Dieken hat sich lediglich im Vorfeld bei mir gemeldet, mir gesagt, dass die Position ihn reizt, und gefragt, was ihn da erwarten würde. Ich habe ihm das grundsätzlich beschrieben und gesagt, dass er den Rest im Bewerbungsverfahren klären muss.“ Einen Zusammenhang zum vorherigen Wohnungskauf gebe es allerdings nicht. „Wir haben die Wohnung gekauft, lange bevor ich Minister wurde und noch länger, bevor der Gematik-Posten frei wurde, einfach weil sie uns gefallen hat. Und wir wohnen da immer noch sehr gerne.“
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